X | Seth & Bo | Seth's home | evening

Mir war heute den ganzen Tag so langweilig gewesen, das ich mich wahnsinnig über Seths anruf gefreut hatte. Das tat ich normalerweise natürlich auch, aber die Langeweile von vorhin hatte das irgendwie noch gesteigert. So schnell wie heute hatte ich es noch nie geschafft mich fertig zu machen, denn ich wollte meinen Freund einfach unbedingt wieder sehen. Als stand ich sehr bald schon in der U-Bahn, wo ich alle Leute damit nervte das ich ungeduldig auf und ab hüpfte. Als ich dann endlich vor Seths Haustüre stand, klingelte ich Sturm. Bevor er an der Sprechanlange überhaupt fragen konnte, wer dran war, meinte ich schon: „It’s me babe.“ Sicher konnte er mein Lächeln aus der Stimme heraushören. Als er öffnete rannte ich die Treppen bis zu seiner Wohnung hoch, um schneller bei ihm zu sein. Ich konnte es kaum erwarten seine Lippen auf meinen zu spüren.

Regungslos saß ich auf meiner Couch, die Hände gefaltet und an mein Kinn gelehnt, während jadegrüne Augen starr ins Leere blickten. Wie spricht man sowas am besten an? Hey Baby, ich muss dir was sagen, ich hab mit deiner besten Freundin gepennt? So hätte ich es vermutlich gesagt, wäre Bo mir nicht so unglaublich wichtig. Eigentlich hatte sie nichts von alldem verdient. Weder einen Freund, der sie mit ihrer besten Freundin betrog, noch das Gespräch, das ihr vermutlich gleich den Boden unter den Füßen wegziehen würde, nachdem sie am Telefon so glücklich geklungen hatte, wie schon lange nicht mehr. Fast so, als wüsste sie, dass es wichtige Neuigkeiten gab, die ich ihr mitteilen musste. Dass diese allerdings alles andere als positiv ausfallen würden, konnte Bo nicht wissen. Und es brach mir jetzt schon das Herz, ihr das sagen zu müssen.
Es klingelte. Ich vergrub das Gesicht für einen Augenblick in meinen Handflächen, ehe ich seufzend aufstand und zur Tür ging. Ich öffnete sie und Bo kam bereits nach oben gestürmt, was mich lächeln ließ. "Hey gorgeous", begrüßte ich sie und zog sie in eine lange Umarmung. Ich atmete den Duft ihrer seidigen Haare ein, strich mit meinen Händen über ihren Rücken. Ich wünschte, ich könnte ihr etwas sagen, von dem ich wusste, dass es sie glücklich machen würde. Aber ich wusste auch, dass ich mit der Tatsache, dass ich mit ihrer Freundin in der Kiste gelandet war, auf Dauer nicht leben konnte. Ich musste es ihr beichten.

Ich rannte die Treppe hoch und war ein wenig außer Atem, aber es konnte natürlich auch an Seth Anblick liegen, das ich schneller atmete. Ich hatte mich immer noch nicht an seinen Anblick gewöhnt, weswegen ich auch nicht verstand, warum er mit jemanden wie mir zusammen sein wollte. Aber deswegen machte es mich umso glücklicher, dass er mich als seine Freundin bestimmt hatte. „Hi.“, hauchte ich etwas atemlos und schenkte ihm ein strahlen. Ich war wirklich wahnsinnig glücklich gerade, aber ich konnte ja noch nicht ahnen was gleich auf mich zukommen würde. Er zog mich an sich und wir umarmten uns längere Zeit. Ich genoss die Berührung, zog seinen Duft ein und schmolz förmlich dahin. Als wir uns dann lösten und ihm ins Gesicht sah, wurde mein strahlen nur noch zu einem Lächeln. Ich hatte das Gefühl das hier irgendwas ganz und gar nicht stimmte. Was meine gute Laune etwas trübte. „What's going on?“, fragte ich ihn besorgt. Ich ließ meine Augen an ihm auf und ab wandern, aber ich sah keine Verletzungen oder der gleichen, also war ich ein bisschen weniger besorgt und hauptsächlich erleichtert. Aber trotzdem machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit.

Ich genoss ihre Nähe solange es mir möglich war, also solange, bis sie Anstalten machte, sich von mir zu lösen, was ich natürlich nicht verhindern konnte, und ich tat es auch nicht. Wäre ja albern. Meine grünen Augen betrachteten sorgsam ihr hübsches Gesicht, während Bo offenbar dasselbe bei mir tat. Nur lag in ihrem Blick plötzlich Besorgnis, in meinem dagegen waren immer mehr Zweifel herauszulesen und ich schaffte es einfach nicht, mir die passenden Worte zurechtzulegen, weil es schlichtweg keine Worte gab, die meinen Fehler wiedergutmachen würden. „What's going on?“ Meine Befürchtungen bestätigten sich, sie ahnte bereits etwas. "Bo, I.." Mein Blick fiel zu Boden, hob sich aber gleich darauf wieder und ich sah erneut in ihre großen, blauen Augen. "I have to tell you something but.. first I want you to know that.." Meine Kiefer spannten sich ein wenig an, als ich ganz nah an Bo herantrat und mir beide ihrer Hände schnappte, um sie an meine Brust zu drücken. Beinahe krampfhaft schlossen sich meine Augen und ich beugte mich zu ihr, um meine Stirn an ihre zu legen. "Bo, I love you." Ich versuchte, tief durchzuatmen. Vergeblich. Gott, wie hirnlos muss man sein, um so ein Mädchen zu betrügen? "Say it", fuhr ich fort, meine Augen öffneten sich. "Please.. tell me you love me", flehte ich leise, brachte eine ihrer Hände zu meinen Lippen und platzierte einen liebevollen Kuss auf ihrem Handrücken.

Irgendwas war in seinem Blick, aber ich wusste nicht genau was. Zweifel vielleicht? Oh mein Gott, auf einmal war ich total unsicher, hatte ich irgendwas angestellt oder falsch gemacht? Oder warum sah er mich so an? Ich war irgendwie verwirrt und im Kopf ging ich alle Möglichkeiten durch, aber auf das was wirklich der Grund war, wäre ich natürlich nie gekommen. Zwischendurch konnte er meinem Blick nicht standhalten, fast so als müsste er etwas beichten. Aber ich hatte nicht geglaubt, dass er das tun musste. Ich probierte ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, was aber wohl eher zu einer Grimasse wurde, als ich bemerkte, dass sich sein Kiefer anspannte. Er trat näher an mich heran, nahm meine Hände in seine und drückte sie an seine Brust. Seth hatte seine Stirn an meine gelegt und die Augen geschlossen. Ich tat es ihm nach und atmete ganz ruhig. Als er mir sagte das er mich liebt, fuhr ein kribbeln durch meinen Körper und ein Lächeln breitete sich wieder auf meinen Lippen aus. Ich sah ihm in die Augen als er seine öffnete, doch seine Worte danach verwirrten mich irgendwie. „I love you too.“, meinte ich und sah ihm wieder in die Augen. Er küsste meinen Handrücken und ich war total durcheinander. Das was er sagte klang alles wunderbar, doch seinen Gesichtsausdruck dazu, konnte ich nicht ganz verstehen. Also sah ich ihn einfach nur an und fragte mich was als nächstes passieren würde.

Scheiße, war das schwer. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich das Thema anschneiden sollte und wie ich es ihr möglichst schonend beibringen konnte. Wahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit; sie würde enttäuscht und wütend sein, oder zumindest eins von beiden, daran ließ sich nichts ändern. Egal, was sie gleich tun würde, ich hatte es verdient. Das rief ich mir immer wieder ins Gedächtnis, während ich darauf wartete, dass Bo mir antwortete. Noch nie hatte ich ein Mädchen, das kein Familienmitglied war, so sehr gebraucht wie sie, und das durfte sie ruhig wissen. Sie musste es wissen. Genauso wie sie wissen musste, dass ich sie nicht absichtlich betrogen hatte. Gut, unabsichtlich auch nicht, aber ich war betrunken gewesen. Komplett von der Rolle, absolut nicht mehr zurechnungsfähig. Und Charlie genauso wenig.
„I love you too.“ Ich schluckte schwer, und plötzlich schaffte ich es nicht mehr, ihr in die Augen zu sehen. Mein schlechtes Gewissen brachte mich fast um, ich hielt das nicht mehr aus. "Fuck, I don't deserve you", murmelte ich und fuhr mir erneut durchs Haar, während ich einen Schritt zurückwich, um den Abstand zwischen uns zu vergrößern. "Bo, I cheated on you", ließ ich die Bombe schließlich hochgehen und hob meinen Blick. "I.. I slept with Charlie and it's fucking killing me." Ich atmete lautstark ein und aus, ehe ich wieder ein wenig auf Bo zukam. "I didn't do it because I wanted to, we were drunk, both of us. You.. you have to believe me, Bo, please." Ihr Gesichtsausdruck war genau so, wie ich ihn mir bereits ausgemalt hatte und es war schwer, diesen Anblick zu ertragen.

Als ich ihm sagte, dass ich ihn auch liebte, konnte er mir plötzlich nicht mehr in die Augen sehen. Trotzdem probierte ich Blickkontakt mit ihm herzustellen, aber er wich mir immer aus. Mein Lächeln war jetzt ganz aus meinem Gesicht verschwunden und eine Sorgenfalte erschien auf meiner Stirn.  Als er mir sagte, er habe mich nicht verdient, wollte ich ihm sanft über die Wange streichen, doch er trat einen Schritt zurück, also ließ ich meine Hand wieder sinken. "Bo, I cheated on you“ Es war als hätte er mir ins Gesicht geschlagen, geschockt wich ich einen Schritt zurück. Tausende Gedanken und Gefühle wirbelten durch meinen Körper. Aber hauptsächlich war da Schmerz und eine große Leere. Als er dann auch noch sagte das er mir Charlie geschlafen hatte, es fiel mir schwer zu atmen und ich musste nach Luft schnappen. Ich trat noch einen Schritt zurück. Konnten zwei der mir wichtigsten Menschen auf der Welt mir sowas antun? Anscheinend, aber warum? Womit hatte ich das verdient? Es fühlte sich an als würde ich gleich in tausend kleine Stückchen zerspringen und ich schlang mir die Arme um den Oberkörper, damit das nicht passierte. Ich war immer noch zu geschockt um das alles richtig zu realisieren. Sicher musste ich so geschockt aussehen, wie ein Reh, auf das gerade ein Auto zukam. Aber naja, das war ja auch irgendwie verständlich, oder? Ich brachte keinen Ton raus, ich konnte nicht mal weinen. Aber es dauerte wohl noch etwas, bis ich ganz verstanden hatte, was er mir gerade sagen wollte.

Nichts passierte. In den ersten Sekunden nach meiner, naja, Offenbarung, geschah absolut gar nichts. Erst nach und nach schien Bo zu realisieren, was sie da gehört hatte, und plötzlich wich sie zwei Schritte zurück, sodass sie kurz davor war, mit dem Rücken gegen die Tür zu stoßen. "Bo", sagte ich leise, mein Gesicht leicht schmerzverzerrt. Sie konnte jetzt nicht gehen. Ich wollte, dass sie hier blieb, bei mir. Damit wir darüber reden konnten und.. nein, eigentlich war Reden das letzte, wonach mir war. Ich wollte sie an mich ziehen, sie nie mehr loslassen und ihr tausend Entschuldigungen ins Ohr flüstern, ihre Nähe spüren und wissen, dass sie mir verzieh. Dass sie uns noch eine Chance gab. Dass sie mir noch eine Chance gab. "Don't go", füsterte ich, kam langsam näher. "Stay, please." Meine Hand hob sich und ich streckte sie nach Bo aus, während mein Blick fortgehend auf ihrem Gesicht ruhte. "I'm so sorry."

Ich war vor ihm zurück gewichen und konnte ihn einfach nicht mehr anschauen, es tat zu sehr weh. Denn bis gerade eben hatte ich den Schmerz nur gedämpft gespürt und jetzt brach er wie eine Welle über mich herein. Als er meinen Namen sagte, sah ich kurz auf. Aber ihn zu sehen, vor allem in seine Augen zu sehen, brach mir das Herz erneut und erneut. Es war als würde er mir immer wieder ein Messer in die Brust rammen und es langsam drehen. Ich wusste nicht was ich tun sollte, sollte ich anfangen zu schreien? Wegrennen? Auf ihn einprügeln? Langsam begannen auch meine Augen zu brennen, denn Tränen stiegen in mir auf. Meine Augen begannen über zu laufen und eine heiße Spur von Tränen zog sich über meine Wangen. Wie hatte er mir das antun können? Wie hatte Charlie mir das antun können? Jetzt hatte ich gerade mit einem Mal meinen festen Freund und meine beste Freundin verloren, die ich beide über alles liebte.

Mein Blick brannte sich in ihr Gesicht, sodass es mir nicht entging, dass sich allmählich Tränen in ihren Augen ansammelten. Ich wollte nicht, dass sie weinte, schon gar nicht wegen mir. "No", fuhr ich fort und überbrückte den Abstand zwischen uns schließlich ganz. "Don't cry, I mean, not because of me. I made a terrible mistake, I know, and I'm sorry." Tränen überquerten nun ihre Wangen. Etwas, das ich am liebsten hätte vermeiden wollen, weil ich es einfach nicht ertrug, sie so zu sehen. Sie war so viel hübscher, wenn sie lächelte. Und noch viel hübscher, wenn ich der Grund für ihr Lächeln war. "I'm so sorry, I love you", wisperte ich, umfasste ihr Gesicht mit meinen Händen und hob es leicht an, sodass sie mich ansehen musste. "I know it's hard for you to look at me right now", ich holte tief Luft, "but please, don't leave without a word." Meine Daumen strichen sanft über ihre Wangen, um die Tränen zu entfernen. "Talk to me", fing ich an, "tell me what's going on in your head, I wanna know. I want to hear it. I deserve to hear it." Ich ertrug es nicht, wenn sie reglos vor mir stand, von ihren Gefühlen überwältigt, und dennoch schweigend. Warum warf sie mir keine Beleidigungen an den Kopf, warum schrie sie mich nicht an? Damit könnte ich in jedem Fall besser umgehen, als mit diesen glasigen Augen.

Ich fand schon immer, dass das schlimmste am Weinen, das Gefühl ersticken zu müssen war. Denn Schluchzer stiegen in mir auf, doch ich wollte sie nicht raus lassen. Seth sollte nicht mitbekommen, wie sehr er mir wehgetan hatte. Auch wenn ich glaube das er es in meinen Augen lesen konnte. Wenn ich weinte wirkten meine Augen immer noch etwas größer als sonst, außerdem war meine Schminke bestimmt schon überall in meinem Gesicht verteilt. Ich wollte nicht hören, was er zu mir sagte. Am liebsten wäre ich aus der Wohnung geflüchtet und irgendwo heulend zusammen gebrochen. Ich ertrug seinen Anblick einfach nicht mehr. Ich liebte ihn und dennoch hatte er mir so sehr wehgetan. Ich hätte es verstehen können, wenn er mit einer wunderschönen schlanken Fremden  geschlafen hätte. Nicht das Charlie nicht hübsch war, das war sie auf jeden Fall. Aber sie war mir nicht fremd, sie war seit dem Kindergarten meine allerbeste Freundin, das machte die Sache ja auch so hart. Das zwei der wichtigsten Menschen in meinem Leben mir so etwas antun konnten. Seth hatte mein Gesicht mit seinen Händen umfasst und wollte das ich ihm sagte was in meinem Kopf vorging. Aber das konnte ich nicht, wenn ich jetzt den Mund aufmachen würde, würden die ganzen Schluchzer rauskommen. Ich biss mir auf die Lippe, damit das nicht geschah. Es war mir sogar egal wenn sie blutete oder so, vielleicht fand ich das sogar besser, weil ich dann nicht nur diese leere und den seelischen Schmerz fühlen würde. Körperlicher Schmerz wäre mir jetzt weitaus lieber. Irgendwann schmeckte ich Blut in meinem Mund und dann holte ich tief Luft. Ich trat von ihm zurück, sodass er mich nicht mehr anfassen konnte, mit dem Rücken war ich nun schon an der Haustüre angekommen. „It was only a matter of time until you found a prettier girl than me.“, meinte ich und ich merkte das meine Stimme zitterte, aber wenigstens brach sie nicht.

Mir gingen die Worte aus, mir fiel nichts mehr ein, was ich dem noch hinzufügen konnte. War vermutlich auch besser so, denn ich hatte nicht das Gefühl, dass das irgendetwas bei ihr bezweckte. Ich war sowieso nie der große Redner gewesen; sie hatte ja keine Ahnung, wie viel es mir abverlangte, jetzt überhaupt einen Ton über die Lippen zu kriegen. Ich ließ meine Hände sinken, als Bo noch weiter zurückwich und schließlich gegen die Haustür stieß. Fast so, als hätte sie Angst vor mir. Wieder einmal. Ich presste die Kiefer aufeinander, bis die Knochen hervortraten, und senkte meinen Blick. „It was only a matter of time until you found a prettier girl than me.“ Die zerbrechliche, zitternde Stimme und die gesprochenen Worte hallten mehrmals in meinem Kopf wider, weil ich nicht fassen konnte, was sie da grade von sich gegeben hatte. "Are you kidding me?" Ich sah ihr ungläubig in die großen Augen. Grün gegen Blau. "Are you fucking kidding me?!" Meine Stimme war ungewollt lauter geworden, aber ich bemerkte es selbst nicht einmal. "That's not how I am, Bo!" Ich war einen Schritt näher gekommen. "I picked you 'cause you had that.. one thing, that you still have, and I'd never give up on you just because I see another girl and think 'hey, she's fit', because I'm really not that reckless and stupid!" Wut blitzte in meinen Augen auf, jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Erst am Ende des Satzes wurde mir bewusst, dass ich beide meiner Hände seitlich neben Bo's Kopf platziert und ihre Bewegungsfreiheit dadurch beachtlich eingeschränkt hatte. "I was drunk", sagte ich mit fester Stimme, allerdings nicht mehr so laut. Oh, und im Übrigen hatte ich seit Wochen kein Mädchen mehr im Bett gehabt, sowas zerrt ziemlich an den Nerven. Ich mein, Kerle haben schließlich Bedürfnisse. Dennoch hatte ich Bo nie zu irgendetwas gezwungen; hätte ich auch weiterhin nicht. Von einem tiefen Seufzen begleitet, ließ ich meine Hände wieder sinken und zwang mich dazu, wieder etwas zu relaxen. Dass sie, wie zu Beginn, Angst vor mir hatte, war das letzte, was ich wollte.

Ich wollte einfach nur, dass er aufhörte zu reden. Irgendwie machte es alles nur noch schlimmer, wenn er mir immer wieder sagte, dass er mich liebte. Das machte den Schmerz und den Verlust nur noch greifbarer und unerträglicher. Ich bemerkte wie er den Kiefer anspannte, als ich noch ein bisschen Abstand zwischen uns brachte und sah auf den Boden. Sein Anblick wurde mir zu viel, denn normalerweise wäre ich, wenn ich so unglücklich gewesen wäre, sofort zu ihm gekommen und hätte mich in seine Arme geworfen. Aber da er der Grund war, weswegen es mir nicht gut ging, war das ja nicht möglich. Meine zweite Wahl, wobei meistens sogar die erste war Charlie, aber das sie mit Seth geschlafen hatte, ging es auch nicht, das ich bei ihr auftauchte. Auf meine Worte hin, wurde er lauter. Ja er brüllte mich fast an und kam näher. Ich sah die Wut in seinen Augen und merkte, dass jede seiner Muskeln angespannt war. Dann kam er auch noch ganz nah und platzierte seine Hände auf beiden Seiten neben meinem Kopf, sodass ich nicht weg konnte. Wenigstens spürte ich jetzt etwas anderes als nur den Schmerz und zwar ein bisschen Angst. Aber die war sofort verfolgen, als er seine Hände wieder sinken ließ. Gott, ich wusste doch, dass ich keine Angst mehr vor ihm haben brauchte, aber in diesem Moment war mir wohl einfach alles ein bisschen zu viel. Ich bekam einfach kaum Luft, es fühlte sich an als würde jemand meine Lunge und mein Herz zusammenpressen. Vor allem aber liefen heiße Tränen meine Wangen hinunter. Um nicht laut los zu schluchzen hatte ich mir auch noch auf die Unterlippe gebissen und diese war nun aufgeplatzt. „I think that’s not a exuse.“, meinte ich, wobei ich mich anstrengte das meine Stimme nicht zitterte, aber ich schaffte es nicht ganz. Ich sah ihn noch ein letztes Mal an, sah in die grünen Augen, die ich mittlerweile so gut kannte, dann meinte ich: „Goodbye Seth.“, wobei meine Stimme brach. Dann drehte ich mich um und riss die Haustür auf. Auch wenn ich vor Tränen kaum etwas sehen konnte, probierte ich die Treppen so schnell runter zu kommen, wie ich konnte.

Mein Atem wurde immer schwerer, sodass sich meine Brust deutlich hob und senkte. Ich war wütend, und zwar richtig. Selbstverständlich auf mich selbst und nicht auf Bo, aber mein Körper sah dort offenbar keinen Unterschied und ich spürte, wie sich in mir das Bedürfnis regte, auf etwas einzuschlagen. Egal was, Hauptsache etwas, woran ich meine Wut ausleben konnte. „Goodbye Seth.“ Ihre Stimme brach weg und sie machte auf dem Absatz kehrt, um dann die Tür aufzureißen und so schnell es ihr möglich war, wenn auch etwas unbeholfen, die Treppenstufen nach unten zu sprinten. Zwei Sekunden, nachdem ich die Tür des Haupteingangs hatte zufallen hören, blieb ich noch regungslos stehen und blickte ins Leere, weil ich nicht fassen konnte, dass ich gerade den momentan wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren hatte. Als ich es dann endlich realisiert hatte, schlug ich mit ziemlicher Wucht die Wohnungstür zu, wobei ich einen wütenden Schrei von mir gab, den vermutlich auch alle Nachbarn mitbekommen hatten.
Kurze Zeit später sank ich mit dem Rücken gegen die Wand und hielt mir die Hände vors Gesicht, nur um sie dann langsam durch meine Haare wandern zu lassen. Als ich sie dann in die Hosentaschen schob, fiel mein Blick auf die zertrümmerte Glasplatte des Tisches und den umgestürzten Schrank. Ich biss mir auf die Unterlippe und hielt mir meine zerkratzten Hände vor Augen, in welchen teilweise sogar Glassplitter steckten. Eigenartigerweise konnte ich mich kaum daran erinnern, auf den Tisch eingeschlagen zu haben. Es war, als hätte ich es mit geschlossenen Augen getan. In meinem Kopf ging alles drunter und drüber, meine Nerven lagen blank. Ich war nie gut für Bo gewesen, jedenfalls nicht halb so gut, wie sie für mich. Ich trug so viel schlechtes in mir, so viele Facetten, die ich nicht in den Griff bekam, wenn es drauf ankam. Und trotzdem wollte ich es nicht wahrhaben, dass sie weg war. Nach allem, was wir zusammen durchgestanden hatten.

ENDE