X | BO & SETH | BO'S HOME | 10am

Ich war immer schon Frühaufsteher gewesen, also war es kein Problem für mich, um halb zehn die Wohnung zu verlassen. Frisch geduscht und ordentlich angezogen stieg ich ins Auto und machte mich auf dem Weg zu Bo. Und ja, ich wusste wo sie wohnte, natürlich tat ich das. Es war auch ehrlich gesagt nicht besonders schwer gewesen, es herauszufinden. Sie wusste noch nichts von ihrem Glück, aber ich war mir sicher, sie hatte mich bereits vermisst und würde sich freuen. Ein bisschen, irgendwo, an einer versteckten Stelle ihres Gehirns. Ich brauchte gerade einmal zwanzig Minuten, bis ich mit einem Strauß Blumen in der Hand vor ihrer Haustür stand. Bo's Mutter öffnete mir die Tür. Sie sah überrascht aus, aber ich erklärte ihr, ich sei ein Freund ihrer Tochter. Dank meines Charmes (und der Blumen) kam es schließlich dazu, dass sie mich zum Frühstück hierbehalten wollte, was mir ganz gelegen kam. So kam ich an Bo, ohne mir großartig etwas einfallen lassen zu müssen. "Thanks Mrs Ellis", sagte ich lächelnd, als sie Pfannkuchen und Kaffee auf den Tisch stellte. "Call me Ann", erwiderte sie freundlich. "I'll check on Bo, I'm sure she will be happy to see you." Sie verließ die Küche und ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, während ich mich etwas im Raum umsah. Die mitgebrachten Blumen befanden sich inzwischen in einer Vase, in der Mitte des Tisches.

Nach der Party gestern, schliefen Charlie und ich noch, als meine Mutter reinkam. Sie öffnete die Rollos, sodass uns die Sonne anstrahle. Bäh. Ich wollte doch schlafen, also versteckte ich mich unter der Bettdecke, bis ich hörte was meine Mum dann sagte: „Darling. There is a young man, who wants to see you. And he is very cute.” Es war als würde mich der Blitz treffen. Was hatte sie da gesagt? Ein junger Mann, der ziemlich süß war. Oh nein. Von meinem männlichen Freunden konnte das niemand sein, sonst hätte sie ihn entweder hochgeschickt oder hätte es ganz anders gesagt. Ich hatte schon die schreckliche Vermutung, dass es Seth sein musste. Panik machte sich in mir breit. Wie hatte er herausgefunden, wo ich wohnte und was sollte ich tun. Charlie, war nun auch hellwach. Sie schenkte mir so ein uh-was-hab-ich-verpasst-Lächeln, sie konnte ja nicht ahnen, dass von Seth die Rede war. „Why didn’t you tell me that you have met someone?“, fragte sie mich, mit diesem Tonfall, den nur eine beste Freundin drauf hatte. Ich erwiderte: „Because you were drunk.“ Daraufhin lachte sie und meinte nur, dass sie ihn sehn wollte. Na toll, wenn es wirklich Seth war, der unten wartete, dann würde sie sicher schreiend weglaufen. Meine Mum war gleich wieder nach unten gesaust um den süßen jungen Mann, wie sie sagte, nicht alleine zu lassen. Charlie und ich zogen uns so schnell an, wie noch nicht. Dann schminkten wir uns noch kurz und ich fuhr mir mit der Bürste durch die Haare. Irgendwie war ich total nervös, ich hatte Angst, freute mich aber auch. Komisch oder? Naja auf jeden Fall, gingen wir dann runter. Charlie hatte ihr Zeug schon mitgenommen, weil sie bald heim musste. Jap und ich hatte recht gehabt, unten am Küchentisch saß wirklich der junge Mann, mit den fast smaragdgrünen Augen. Ich sah ihn etwas geschockt an. Meine Mum warf mir einen Blick zu, aber sie schien gar nicht zu merken, was hier abging. Denn sie bot uns gerade allen Kaffee an. Ich hörte nur Charlie neben mir: „Oh my god.“, flüstern und dann etwas lauter: „I have to go.“ Dann war sie auch schon weg. Echt toll, sie ließ mich hier alleine mit einem gefährlichen Schlägertyp und meiner Mum die total hin und weg von ihm war. Mist. Verdammt. Da ich immer noch nichts gesagt hatte, probierte ich so zu tun, als sei alles in Ordnung und schenkte den beiden ein Lächeln, dann setzte ich mich zu ihnen an den Tisch.

Seelenruhig saß ich am Küchentisch, während Bo's Mutter nach oben ging, um nach ihr zu sehen. Kurz waren Stimmen zu hören, wobei, eigentlich nur die von Ann, ehe sie bereits wieder nach unten kam. "They're coming", informierte sie mich und lächelte. Ich wusste bereits, dass eine Freundin bei Bo übernachtet hatte und ich hoffte inständig, dass sie bald gehen würde. Wie aufs Stichwort waren leise Schritte auf der Treppe zu hören. Ann war dabei, die Arbeitsfläche zu reinigen, als  die beiden Mädchen endlich im Türrahmen auftauchten. Bo blickte mich schockiert an, im Gegenzug setzte ich mein schönstes, links und rechts von Grübchen geziertes Lächeln auf. Ihre Mutter bot Charlie Kaffee an, die allerdings ziemlich schnell die Fliege machte, nachdem sie mich entdeckt hatte. Schön, wenn alles so nach Plan lief. "Hi, Bo", zwinkerte ich, als sie langsam den Raum betrat. Ihre Mutter schien sich extra von uns abzuwenden, unter dem Vorwand, die Küche wieder auf Hochglanz bringen zu müssen, obwohl diese wirklich in Ordnung aussah, aber ich war sicher der letzte, der sich daran stören würde. Bo setzte sich, ich beute mich leicht zu ihr herüber. "Hello, Beautiful", flüsterte ich schmunzelnd und kam noch ein wenig näher, auch wenn ich bereits damit rechnete, dass sie mich gleich zurückhalten würde.

Charlie und ich kamen die Treppe herunter. Zwar hatte ich irgendwie gewusst das Seth da sein würde, aber dennoch war ich überrascht und ein wenig verängstigt. Aber das war nichts im Vergleich zu Charlie, denn diese stammelte noch kurz eine Entschuldigung und war dann auch schon zur Tür hinaus. Sie ließ mich einfach so im Stich. Na toll. Irgendwie spielte sich in mir gerade das totale Gefühlschaos ab. Einerseits freute ich mich ihn zu sehen, andererseits hatte ich wahnsinnige Angst und Panik. Aber naja ich wollte meine Mum nicht beunruhigen außerdem schien es so, als würde sie ihm praktisch schon aus der Hand fressen, also schwieg ich erst mal. Er schenkte mir ein breites Lächeln, als er mich sah. So eines, bei dem man die Grübchen sehen konnte. Irgendwie ließen ihn seine süßen Grübchen, weniger gefährlich und ganz normal erscheinen. Aber naja, ich ließ mich nicht täuschen. Ich setzte mich und warf meiner Mama einen Blick zu, sie war gerade dabei die Küche zu putzen und sah nicht her. Warum musste sie jetzt unbedingt wieder die coole und lockere Mum sein. Ach Mist. Er beugte sich zu mir rüber und es schien fast so als ob er mich küssen wollte oder so. Ich zögerte einen Moment dann drückte ich ihn von mir weg. „Good Morning.“, meinte ich mit einem zuckersüßen Lächeln im Gesicht. Es war einfach total übertrieben aber naja. Mum würde mir sowie so nicht glauben das Seth gewalttätig sein könnte. Also musste ich wohl oder übel mitspielen. „Do you want some Cofee?“, fragte Ann uns. Ich nickte und dann schenkte sie uns beiden auch schon etwas ein. Eigentlich war mir der Appetit vergangen, aber Kaffe ging immer.

Bo's Freundin war schneller verschwunden als erwartet, was mich ein bisschen amüsierte. So angsteinflößend konnte ich doch gar nicht aussehen, immerhin schien Ann mich vom ersten Moment an super zu finden. Vielleicht hatte ich auch einfach zufällig ihre Lieblingsblumen erwischt, keine Ahnung, aber ich war froh dass es so lief, wie es lief. „Good Morning.“ Sie hielt mich davon ab, ihr noch näher zu kommen, also lehnte ich mich wieder etwas zurück und grinste leicht. Ihr Lächeln schien mehr gequält als alles andere, aber ich nahm es ihr nicht übel. Ich war mir sicher, dass sich das noch legen würde, immerhin gab ich wirklich mein Bestes, sie von mir zu überzeugen. Eigentlich sollte ich dafür einen Orden bekommen, denn normalerweise wickelte ich die Mädchen mit einem einzigen Augenzwinkern um den Finger. Aber aus irgendeinem Grund war Bo es mir wert. Ann schenkte uns Kaffee ein, wofür ich mich freundlich bedankte. "Don't you wanna know why I'm here?", fragte ich Bo und ließ meinen Blick über ihr Erscheinungsbild wandern.

Charlie würde sich morgen oder nachher etwas von mir anhören müssen. Denn ich dachte beste Freundinnen gehen gemeinsam durch dick und dünn. Naja jetzt wars halt nun mal so, sie war weg und ich war mit Mum und Seth alleine. Hoffentlich musste Ann nicht gleich los, denn dann würde ich echt Panik bekommen. Denn ich hatte immer noch die Hoffnung, dass er nichts tun würde, wenn sie dabei war. Uff.. er hatte sich auch wieder zurück gelehnt, als ich ihn weg drückte. Jetzt konnte ich mich sogar ein bisschen entspannen. Aber auf der Hut war ich immer noch. Seth wirkte aber wirklich freundlich, wie er so mit meiner Mum umging und wie er sich bedankte. Vielleicht hatte ich gestern Abend doch nur etwas zu viel getrunken und mich vertan. Aber als ich vorhin in den Spiegel geschaut hatte, war da ein Knutschfleck an meinem Hals. Zwar kein riesiger, dafür sah er aber echt schlimm aus, ziemlich dunkel und so. Außerdem tat er ganz schön weh. Naja auf jeden Fall, hieß das wohl es war wirklich alles so passiert, wie ich es in Erinnerung hatte. „Ähmm.. okey?“, meinte ich und sah ihn an. Okey, er hatte wirklich die interessantesten Augen die ich je gesehen hatte. Und diese Augen checkten mich gerade von oben bis unten ab, wobei ich mich recht unwohl fühlte und weg sehen musste.

Sie schien etwas überfordert mit der Situation zu sein, dabei wäre meine Frage eigentlich ganz einfach mit Ja oder Nein zu beantworten gewesen. Ich beugte mich wieder ein wenig nach vorne. "I wanna take you on a date tomorrow night", sagte ich. Da Bo offenbar erst nicht wusste, was sie sagen sollte, mischte sich ungefragt ihre Mutter ein. "Oh, that would be lovely, wouldn't it, Bo?" Sie strahlte übers ganze Gesicht und ich fragte mich, ob es das erste Mal war, dass jemand ihre Tochter um ein Date bat. "She'd love that." Ich lächelte und blickte von ihr zu Bo, die momentan so gar nicht zu Wort kam. Ann schlug acht Uhr vor, woraufhin ich nickte und mich wieder an Bo wandte. "Looking forward to it", sagte ich lächelnd, ehe ihre Mutter sich offensichtlich überglücklich wieder dem Abwischen der Arbeitsfläche widmete. Ich beugte mich zu Bo, umfasste mit einer Hand ihr Kinn und hob es ein wenig an. "I'm taking you out for dinner", sagte ich, leiser als zuvor, und ließ langsam wieder von ihr ab. Schließlich gesellte Ann sich zu uns und wir unterhielten uns noch eine Weile. "Well, I have to go. Thanks for the pancakes, Mrs Ellis", meinte ich schließlich, erhob mich und wir verabschiedeten uns. "Bo, go with him", hörte ich Ann leise zu ihrer Tochter sagen, ließ mir jedoch nichts anmerken und verließ schonmal die Küche.

Okey ich war nicht nur ein bisschen überfordert mit der ganzen Situation, sondern sowas von total. Meine Mum hatte gerade ein Date für mich ausgemacht, während ich daneben saß. Aber das war noch nicht das schrägste, sie hatte es mit einem jungen Mann ausgemacht, der schon mal jemanden Todgeprügelt hatte. Zumindest hatte Charlie das gesagt und ich glaubte ihr. Alles klar das war irgendwie zu viel für mich. Ich konnte nur nicken als meine Mama mir eine Frage stellte, zwar fand ich es nicht so toll, aber genau das wollte sie doch, oder? Das ich mit einem netten jungen Mann ausgehen würde. Also tat ich jetzt einfach mal so, als wäre alles ganz normal und Seth wäre wirklich ein netter junger Mann. Naja als die Unterhaltung zu Ende war, machte sich Ann wieder daran weiter zu putzen. Das tat sie doch normalerweise nicht so gründlich, wenn überhaupt, aber vielleicht wollte sie einfach einen guten Eindruck hinterlassen. Die beiden Lächelten die ganze Zeit, nur war mir irgendwie nicht danach zu Mute. Er hob mit einer Hand mein Kinn an und dadurch musste ich ihm in die Augen sehen. Sie hatten echt eine ungewöhnliche Farbe, in ihnen könnte ich sogar versinken, aber das durfte ich nicht und würde ich auch nicht, nicht nachdem wie er mich gestern behandelt hatte. Dann ließ er mich los und ich konnte endlich wieder atmen, ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Meine Mum und unser Gast unterhielten sich noch eine Weile. Sie verstanden sich gut und es wäre echt ein Traum gewesen, wenn Seth eben nicht Seth wäre. Dann verabschiedete Seth sich und Mum meinte ich sollte ihn noch zur Türe begleiten. Also gut, dann folgte ich ihm mal, dann konnte ich ihn auch gleich fragen was das bitte sollte. Im Flur nahm ich dann all meinen Mut zusammen und meinte leise: „What’s your game?“

Im Flur angekommen, drehte ich mich herum und wartete darauf, dass Bo mir nachkam. Schlussendlich tat sie das auch und die Küchentür flog zu. „What’s your game?“, hörte ich sie leise fragen und abgesehen davon, dass ich tatsächlich nichts bestimmtes im Schilde führte, verschwendete ich nun keine Sekunde mehr und schob sie einfach an die Wand. Mein Körper drückte gegen ihren, um sie an Ort und Stelle zu halten, während beide ihrer Handgelenke über ihrem Kopf in einer meiner Hände gefangen waren. Ein kaum merkliches Grinsen huschte über meine Lippen und meine Finger strichen sanft über Bo's Wange. Ich schob das lange Haar von ihrer Schulter und betrachtete den Bluterguss, welchen ich ihr zugefügt hatte. "Looks good on you", wisperte ich gegen ihr Ohr. Sekunden später legten sich meine Lippen auf das violett schimmernde Mal, wobei ich sehr vorsichtig agierte, um ihr nicht wehzutun. Meine Locken berührten leicht ihre Wange, als ich einen weiteren Kuss an den Punkt setzte, wo ihr Kiefer in ihren Hals überging. "You smell good", hauchte ich; mein Griff um ihre Handgelenke blieb weiterhin eisern. Ich drückte mich an Bo, wobei ich leise gegen ihre Lippen stöhnte, sie allerdings nicht küsste. Schließlich, ziemlich plötzlich, ließ ich das Mädchen frei. Ich trat einen Schritt zurück, näherte mich der Tür. "See you tomorrow night, Bo." Ich zwinkerte ihr zu und verließ danach das Haus, zog die Tür dabei hinter mir zu und lief zu meinem Auto.

Ich fragte ihn etwas, doch bekam keine Antwort. Zumindest sagte er nichts, sondern war ganz genau der Seth den ich gestern kennen gelernt hatte. Denn er drückte mich gegen die Wand und als ich ihn wegschieben wollte, nahm er meine Handgelenkte und hielt sie über meinem Kopf fest. Er Grinste kurz und dann fuhr er mir sanft mit den Fingern über die Wange. In so einem Moment war ich immer wieder überrascht wie sanft er sein konnte. Vorhin hatte ich kurz gedacht das er eigentlich doch ganz lieb war und vielleicht nur zu viel getrunken hatte oder so. Aber jetzt fragte ich mich, wie ich so etwas je hatte denken können. Er war einfach grob und tat mir weh. Ich probierte mich seinem Griff zu entwenden, aber wie gestern hatte ich keine Chance. Er schob mein Haar nach hinten, sodass ich eine Gänsehaut bekam als seine Finger meinen Hals und meine Schulter streiften. Dann sagte er kurz was und legte seine Lippen auf meinen Bluterguss, den er mir zugefügt hatte. Er war zwar ganz sanft, aber selbst die kleinste Berührung tat schon weh. Sein Haar streifte meine Wange und ich hielt kurz die Luft an, danach ging mein Atem sogar ein wenig schneller. Er drückte mich enger an sich und diesmal verspürte ich keine Panik. Meine Mum war nebenan und würde mir, falls ich einen Schrei heraus brachte schon helfen. Aber irgendwie wollte ich gar nicht schreien, nein, ich wollte sogar, dass er weiter machte. Zwar taten meine Handgelenke weh, aber der Rest gefiel mir. Krank, oder? Er brachte mein Herz zum rasen. Seine Lippen lagen nun fast auf meinen, es waren nur wenige Millimeter zwischen uns, aber ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen, als er stöhnte. Auf einmal ließ er mich los und trat einen Schritt zurück. Ich war so überrascht, dass ich keinen Ton raus brachte. Irgendwie war ich auch etwas enttäuscht, auch wenn ich mir das nicht eingestehen wollte. Und dann verließ er auch schon das Haus und die Türe fiel hinter ihm zu. Meine Mum kam kurz darauf, aber bis dahin hatte ich mich schon gefasst und schritt wieder die Treppe hoch. Ich wollte auf keinen Fall jetzt mit ihr reden, also verschwand ich einfach ohne ein Wort.

ENDE