X | Seth & Bo | Plattenladen | Nachmittag

Eine Woche lang hatte ich Seth jetzt nicht mehr gesehen, aber irgendwie war ich auch froh darüber, denn so konnte mein Leben wieder etwas normaler werden. Zwar hatte er mir ab und an komische SMSen geschrieben, ich hatte aber auf keine geantwortet. Das doofe war aber das ich ihn irgendwie auch vermisste, naja ganz wenig. Aber hey, damit konnte ich umgehen und es einfach ignorieren. Ich war wieder in den ganz normalen Alltag rein gerutscht, das hieß also, dass ich heute Arbeiten musste. Im Plattenladen, lief wie immer Musik und ich summte vor mich hin. Ich arbeitete gerne hier, weil ich einfach Musik liebte. Es war zwar nicht allzu viel los, aber die üblichen Verdächtigen waren ja sowie so fast immer hier. Der Plattenladen, war irgendwie schon fast ein zweites Zuhause für Marc geworden und ich mochte ihn. Weswegen ich ihm auch einen Kaffee angeboten hatte. Warum ich ihn mochte? Er war schweigsam aber immer freundlich, also passte er recht gut zu mir. Außerdem war ihm die Musik genauso wichtig wie mir. Was ich komisch fand, das man ihn hier fast immer antraf, aber daran hatte ich mich schon gewöhnt.

Ich wusste, wo Bo arbeitete. Natürlich wusste ich das. Ich hatte ihr seit unserem ersten Date mehrere Nachrichten geschrieben, allerdings auf keine davon eine Antwort erhalten. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mein Mädchen auf der Arbeit zu besuchen, und das tat ich jetzt. Ich parkte direkt am Straßenrand, stieg aus und überquerte die Straße, bevor ich den kleinen aber schönen Plattenladen betrat. Das Glöckchen über der Tür klingelte alarmierend, sobald jemand das Geschäft betrat, somit auch jetzt. Ich ließ meinen Blick schweifen, konnte Bo allerdings nicht entdecken. Ich schob beide Hände in die Hosentaschen und begann, langsam durch den Laden zu laufen. Ich war mir sicher, dass Bo hier war, und ich fragte mich, ob sie wirklich so eine Panik vor mir haben konnte, dass sie sich vor mir versteckte. Falls ja, war ihr Versteck bereits dabei, aufzufliegen. Grüne Augen durchforsteten den Raum, während ich mich schlendernd fortbewegte.

Ich hatte gerade Marc seinen Kaffee über den Tresen gereicht, als das Glöckchen, das über der Tür hing klingelte. Es sagte mir, dass ein neuer Kunde den Laden betreten hatte. Ich machte mich ein kleines Stückchen größer um über die Regale gucken zu können, weil ich wissen wollte ob es ein Stammkunde war oder nicht. Ich war etwas geschockt als ich Seth erblickte. Ich meinte ganz leise zu Marc: „I'm in the camp. If the man over there asks for me, I'm not here today, okay?“ Mein allerliebster Stammkunde nickte nur etwas verwirrt, aber ich wusste das ich auf ihn zählen konnte. Also duckte ich mich hinter den Tresen und machte mich, ohne das er mich sah auf den Weg zum Lager, was schwieriger war, als gedacht. Einerseits wollte ich mit ihm reden, aber ich hatte immer noch ein wenig Angst vor ihm. Zwar war diese nach unserem Date weniger geworden, aber seine SMSes hatten dafür gesorgt, dass sie wieder da war, die Angst.

Ich umging die einzelnen Regale im Slalomkurs, während ich versuchte, Bo irgendwie ausfindig zu machen. Bislang leider erfolglos, allerdings schlich sich langsam ein Grinsen auf meine Lippen, weil das Ganze allmählich anfing, Spaß zu machen. Ein komischer Typ saß schweigend am Tresen, eine Tasse Kaffee stand neben ihm und er sah immer wieder zu mir rüber, woraufhin sich meine Stirn schließlich in Falten legte. Irgendwas stimmte da nicht. Ich begann, zielstrebig auf ihn zuzugehen, mein Kiefer spannte sich an. Doch ich blieb schlagartig stehen, als ich hellgraue Schuhe hinter einem Regal verschwinden sah. Ein Grinsen zeichnete sich auf meinem Gesicht ab, als ich einen kleinen Bogen darum machte, um dann auf der anderen Seite aufzutauchen. Bo's Augen weiteten sich, als meine schwarz-weißen Converse in ihr Sichtfeld traten. Ihr Blick wanderte über meinen Körper bishin zu meinem Gesicht. "Whatcha doing on the floor, Love?", fragte ich amüsiert, bückte mich und griff nach ihren Armen, um sie dann problemlos hochzuziehen, bis sie wieder auf ihren Füßen stand.

Ich flüchtete vor ihm, doch um in das Lager zu kommen, musste ich an ein paar Regalen vorbei, die mir eventuell Sichtschutz bieten könnten. Also verließ ich den Bereich hinter dem Tresen und krabbelte auf dem Boden rum. Was tat man nicht alles für einen Kerl. Naja in diesem Fall, war es ja eher gegen den Kerl. Also gegen Seth. Doch blöderweise war ich nicht schnell genug, denn Seth entdeckte mich, wie ich da so auf allen vieren auf dem Boden war. Zuerst sah ich nur seine Chucks vor mir und dann sah ich nach oben. Er grinste mich an und ich blickte nach oben in seine Augen. „I just arrange CDs.“, meinte ich und schenkte ihm ein grinsen. Naja ein bisschen danach sah es dann doch aus. Hoffte ich zumindest. Er griff nach meinen Armen und zog mich auf die Füße. Marc sah die ganze Zeit zu uns rüber, um mir im Notfall wahrscheinlich zu helfen, irgendwie süß von ihm. Ich stand nun vor Seth und musste meinen Kopf nicht mehr so doll in den Nacken legen um ihn anschauen zu können, da ich aber kleiner als er war, musste ich ein wenig zu ihm aufschauen. Er sah gut aus, so wie eigentlich auch die letzten Male als ich ihn gesehen hatte. Ich schenkte ihm ein Lächeln sozusagen als Entschuldigung, dass ich mich vor ihm hatte verstecken wollen.

Sie hatte sich tatsächlich vor mir verstecken wollen und war dafür allen Ernstes durch den halben Laden gekrabbelt. Ich schmunzelte immernoch, auch als Bo dann schließlich vor mir stand und mir versuchte zu erklären, was sie da unten fabriziert hatte. Ich glaubte ihr kein Wort, beließ es aber dabei. "Why didn't you text me back?", fragte ich und legte den Kopf etwas zur Seite. "I believe I asked you once what you were wearing but you didn't reply, so I thought you were naked." Mein Grinsen wurde etwas breiter. Ich hatte noch nie ein Problem damit gehabt, offen über solche Themen zu sprechen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass Bo da etwas anders war. Zumindest schien sie es nicht halb so lustig zu finden, wie ich, und als ich nicht die gewünschte Reaktion erhielt, griff ich nach ihrer Taille und zog sie an mich, um meine Lippen auf ihren Mund zu drücken. "Bo?" Eine fremde, männliche Stimme unterbrach mein Vorgehen. Offenbar ein Kollege von ihr. "Are you alright?", fragte er, als sein besorgter Blick von Bo zu mir wanderte und seine Augenbrauen sich etwas zusammenzogen. Augenblicklich spannte sich mein Kiefer an und mein Griff um Bo's Taille wurde noch etwas fester, wenngleich ich es selbst nicht merkte.

Irgendwie wusste ich, dass meine Erklärung nicht ganz logisch klang, aber er sagte nichts dazu. Wofür ich ihm echt dankbar war, denn es war so schon peinlich genug. Sicher glaubte er mir nicht. Dann sprach er seine SMSen an. Mist, eigentlich hatte ich so eine Unterhaltung vermeiden wollen. Ich hatte echt keine Ahnung was ich drauf sagen sollte, also ließ ich ihn erst mal weiter reden. „You guys are just all the same.“, meinte ich und rollte mit den Augen. Naja irgendwie war es schon ein wenig lustig, deswegen schenkte ich ihm sogar noch ein grinsen. Er grinste auch breit und irgendwie war seine Laune ansteckend. Er griff nach meiner Taille und zog mich an sich, dann küsste er mich. Es fühlte sich gut an und so wie er sich die letzten Male benommen hatte, konnte ich ihn echt gut leiden. Am Anfang war es mir ein wenig unangenehm, weil wir ja nicht alleine waren. Ich verschränkte meine Hände in seinem Nacken. Dann wurden wir aber unterbrochen, als ich meinen Namen hörte. Es war Marc, der mich anscheinend beschützen wollte, was ich echt süß von ihm fand. Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Yes I’m okay.“, meinte ich zu ihm. Seth war anscheinend nicht sehr begeistert, denn als ich ihn wieder ansah, war sein Kiefer angespannt und sein Griff um meine Taille war auch fester geworden. Weswegen ich ihm beruhigend eine Hand auf die Brust legte. „Seth he is ok.“, meinte ich leise, ziemlich nah an seinem Ohr.

"Hey, how can you say that? I'm a whole different league!", wisperte ich grinsend gegen ihre Lippen, nur um sie dann erneut zu küssen. Zu meinem Erstaunen spürte ich plötzlich ihre Hände in meinem Nacken, womit ich wirklich nicht gerechnet hätte, aber es gefiel mir. Allerdings funkte ja dann ihr Kollege, oder wer auch immer er war, dazwischen und warf mir misstrauische Blicke zu, während ich schon wieder kurz vorm Ausrasten war. "Seth he's ok", hörte ich Bo sagen, aber meine grünen Augen durchbohrten trotzdem noch einige Sekunden lang den Fremden, der widerwillig wieder zum Tresen ging und selbst danach immer wieder zu uns blickte. Ich riss mich zusammen und mein Kiefer entspannte sich wieder. Auch mein Griff um Bo's Taille wurde weniger fest und mir wurde erst jetzt bewusst, dass ich ihr dadurch vermutlich weh getan hatte. Mein Blick heftete sich auf ihr Gesicht, meine Hand erhob sich und ich umfasste ihr Kinn. "You're going out with me again", informierte ich sie. Mein Daumen fuhr sanft über Bo's Unterlippe, ehe mein Blick den des fremden Mannes traf, der sich jetzt vom Tresen löste und zur Türe ging. "I'll see you later, Bo", hauchte ich, drückte ihr einen letzten Kuss auf den Mund und ließ schließlich von ihr ab, um den Laden zu verlassen.

Als er sprach, war er so nah, dass sich unsere Lippen fast berührten und ich konnte spüren, dass er grinse, genauso wie ich seinen Atem spürte. Dadurch hatte ich am ganzen Körper eine Gänsehaut. Dann küsste er mich wieder. Ich schmolz unter seinem Kuss irgendwie dahin, auch wenn ich probierte mich zusammen zu reisen. Ich kannte ihn ja kaum, außerdem hatte ich immer noch Angst vor ihm. Trotzdem legte ich ihm die Arme in den Nacken, ich konnte gar nicht anders. Dann wurden wir von Marc gestört, der so lieb wie er war mich beschützen wollte. Ich probierte Seth zu beruhigen, denn so wie er ihn ansah, machte er mir irgendwie Angst. Außerdem war sein Griff um meine Taille nicht gerade angenehm, es tat sogar etwas weh. Aber ich war total erleichtert, als sein Kiefer sich wieder entspannte und sein Griff nicht mehr so fest war. Er sah mich wieder an, während Marc wieder an den Tresen verschwand. Er trank seinen Kaffee aus und nach kurzer Zeit verließ er den Laden. Währenddessen sah ich Seth in die Augen. Er hatte mit einer Hand, mein Kinn umfasst und meinte ich sollte noch mal mit ihm ausgehen. Ich nickte, auch wenn das schwer war, da er mein Kinn ja festhielt. Er fuhr mir mit dem Daumen über die Unterlippe und brachte mich so dazu meinen Lippen leicht zu öffnen. Dann verabschiedete er sich von mir und drückte mir einen letzten Kuss auf die Lippen. Dann war er auch schon aus dem Laden und ich stand etwas verwirrt da. Ganz alleine, denn Marc war ja auch schon weg. Gut gelaunt summend machte ich mich wieder an die Arbeit. Nach einiger Zeit kam mein Stammkunde jedoch wieder, mit einer blutigen Nase. Ich brachte ihm sofort Taschentücher und alles. Als ich ihn fragte ob das Seth gewesen war –ich hatte da so eine Vermutung- sagte er nur er sei hingefallen. Aber das konnte ich ihm nicht glauben. Leider hatte ich so das Gefühl das es Seth gewesen war und wieder machte sich die Angst in mir breit, wenn ich an nachher dachte.

ZEITSPRUNG
Endlich war meine Schicht vorbei, irgendwie war es ein ungewöhnlicher und aufregender Tag gewesen. Schließlich war Seth hier erschienen und ich glaube er hat den lieben Marc die Nase blutig geschlagen. Worüber ich immer noch ziemlich wütend war, er hatte sich doch nur Sorgen um mich gemacht. Naja wollte jetzt auch unbedingt heim, also räumte ich noch eben alles weg, schaltete dann das Licht aus. Dann trat ich aus dem Laden und sperrte ab. Als ich mich umsah, sah ich Seth auf der gegenüberliegenden Straßenecke an seinem Wagen lehnen. Sollte ich ihn ignorieren und so strafen oder lieber ihn zur reden stellen? Ich tat einfach so als hätte ich ihn nicht gesehen, drehte meinen iPod auf und tat die Stöpsel in meine Ohren. Genauso schritt ich davon in Richtung Underground. Es war zwar schon recht spät, aber ich hatte kein Problem damit alleine U-Bahn zu fahren.

Ich beschloss, außerhalb des Plattenladens, auf dessen Parkplatz, auf Bo zu warten. Zwar fuhr ich für zwei Stunden nach Hause, allerdings quälte mich der Gedanke, mein Mädchen mit diesem Typen alleine gelassen zu haben, zunehmend und nachdem ich ihm ohne ihr Wissen ganz schön zugesetzt hatte, saß sie ihm jetzt wahrscheinlich sogar direkt gegenüber und tupfte ihm das Blut aus dem Gesicht. Schneller als der Wind begab ich mich wieder ins Auto, und wartete dann also auf Bo. Die Fenster des Ladens spiegelten, somit konnte ich nicht nach drinnen sehen, aber ich blieb ruhig. Ich musste ruhig bleiben. Die Arme verschränkt, lehnte ich an der Seite meines Wagens. Gegen halb sieben öffnete sich die Ladentür und Bo erschien. Ich sah, dass ihr Blick kurz zu mir wanderte, aber sie sah alles andere als erfreut aus und schlug eine völlig andere Richtung ein, als ich es erwartet hatte. Sie lief davon. "Bo!", rief ich, löste mich vom Auto und kam ihr langsam nach. "Bo, where are you going?" Sie antwortete nicht. "Damn, stop walking away!" Meine Stimme wurde lauter und ein Hauch von Verärgerung schwang mit, als ich meine Schritte beschleunigte. Die letzten Meter joggte ich sogar, bis ich Bo's Schulter zu fassen bekam und sie zu mir herumdrehte. Ich zog ihr die Stöpsel aus den Ohren und sah ihr verständnislos in die Augen. "What's wrong?", fragte ich, bemüht darum, ruhig zu bleiben.

Ich hatte abgesperrt und nun verschwand ich. Ich hatte keine Lust mich von Seth nach Hause fahren zu lassen, zwar fand ich das nett, aber ich durfte es nicht nett finden. Ich war wütend auf ihn. Mit harten Bass und lauten Beat in den Ohren, schritt ich schnell die Straße entlang. Irgendwie musste ich ihm doch zeigen, dass ich sein Verhalten nicht okey fand. Er konnte nicht einfach jeden schlagen, nur weil derjenige etwas machte, was ihm nicht passte. Denn dann würde er mich sicher auch noch schlagen, naja falls er nicht von mir ablassen konnte. Irgendwie wollte ich aber, dass er nicht aufgab, er sollte um mich kämpfen. Aber eben nicht auf diese Weise! Kitschig meine Vorstellung ich weiß, aber so war ich eben nun mal. Ich glaube er rief nach mir, aber sicher war ich mir dank der lauten Musik nicht, ich wollte aber auch nicht reagieren, nicht mal wenn ich ihn gehört hätte. Das war meine Art ihn zu strafen. Anscheinend wollte er wirklich nicht so schnell aufgeben, denn nach kurzer Zeit wurde ich an der Schulter gepackt und umgedreht. Er zog mir die Stöpsel aus den Ohren, was nicht gerade angenehm war. Vorhin hatte ich es noch genossen ihn zu küssen und das bereute ich jetzt schon wieder. Er war gewalttätig das durfte ich nicht vergessen, gerade war es mir aber sowas von egal ob er mir weh tun würde oder nicht, ich war einfach viel zu wütend. „Oh hi Seth. I haven’t seen you.“, meinte ich und tat so als wäre alles okey. Mein Tonfall war nett und freundlich, kein bisschen abweisend. Ich setzte sogar ein zuckersüßes und total übertriebenes Lächeln auf.

Sie erklärte mir, sie hätte mich nicht gesehen, woraufhin sich lediglich meine Stirn in Falten legte. "Well, now you do", sagte ich mit fester Stimme, auch wenn ich wusste, dass sie mich anlog. "I'll drive you home." Das war keine Frage, ganz und gar nicht. Ich würde sie nach Hause fahren, ob sie wollte oder nicht, denn alleine mit der U-Bahn fahren lassen würde ich sie zu dieser Uhrzeit in keinem Fall. Ich griff nach Bo's Hand, wollte sie mit mir ziehen, was normalerweise kein Problem darstellen sollte, doch sie lehnte sich mit aller Kraft in die entgegengesetzte Richtung. "You're only making this more complicated", knurrte ich und zog sie noch einen letzten halben Meter in Richtung Auto, bis mir endgültig der Geduldsfaden riss. "I warned you." Ich wandte mich zu Bo um und warf sie innerhalb weniger Sekunden über meine rechte Schulter, ehe ich meinen Wagen ansteuerte. Wäre ja gelacht, wenn ich sie nicht ins Auto bekäme.

Er wusste das ich log, naja ich hatte ihn zwar nicht gehört, aber gesehen. Trotzdem irgendwie fühlte ich mich schlecht, weil ich ihm ins Gesicht log, aber es musste nun mal sein. Ich hasste es zu lügen, aber naja egal. Er legte die Stirn in Falten. Dann sagte er mir, dass er mich nach Hause fahren wollte, aber ich würde auf keinen Fall nachgeben. Dann hätte er ja gewonnen. „No. I take the underground.“, meinte ich. Er nahm meine Hand und wollte mich mit zu seinem Auto ziehen, aber ich wollte nicht. Ich lehnte mich richtig in die entgegengesetzte Richtung, zum Glück hatte ich heute Morgen keine Ballerinas angezogen, denn dann hätte das jetzt anders geendet. Ich stemmte mich richtig mit meinen Füßen in den Boden. Langsam tat auch sein Griff um mein Handgelenk richtig weh. Das würde sicher einen schönen blauen Fleck geben. Er knurrte richtig, aber leider war er ziemlich stark, also konnte er mich sogar ein Stück weit mitziehen. Ich schrie überrascht auf, als er mich packte und über seine Schulter legte. Ich trommelte so ganz filmmäßig auf seinem Rücken rum, naja wahrscheinlich tat ich ihm nicht mal weh, aber egal. Ich wollte ihm ja nur zeigen, dass es mir nicht gefiel was er da mit mir machte. „Let me down.“, meinte ich. Mittlerweile war ich wirklich richtig wütend, er konnte mich nicht einfach so gegen meinen Willen in der Gegend rum tragen.

Bo war ein Fliegengewicht. Ohne jegliche Anstrengung transportierte ich sie zu meinem Wagen, unterdessen hämmerte sie ununterbrochen auf meinen Rücken ein, allerdings prallten ihre Fäuste jedes Mal an meinen Muskeln ab und ich konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, was sie zum Glück nicht sehen konnte. "Let me down!" Ich ignorierte sie komplett. Erst als wir beim Auto waren, stellte ich sie vor mir auf den Asphalt und nickte in Richtung der Beifahrertür. "Get in", sagte ich, gezwungenermaßen ruhig. Sie rührte sich nicht. "Get in the car, Bo", wiederholte ich, diesmal etwas aggressiver und ich konnte dem Drang, sie einfach zu packen und ins Innere des Wagens zu setzen, nur schwer widerstehen. "You still haven't told me what your problem is", bemerkte ich und platzierte meinen Arm auf dem Autodach. "You're angry with me and I don't know why."

Es war ihm total egal, dass ich wütend war und runter wollte. Ich finde langsam hatte er es echt übertrieben. Ich trommelte weiter auf seinem Rücken rum, aber ich glaube das machte ihm kein bisschen was aus. Eigentlich wollte ich ja ihm nicht weh tun, aber er forderte es gerade so heraus. Als er mich runter ließ, öffnete er mir einfach so die Beifahrertüre und wollte, dass ich einstieg. Als Antwort, klatschte ich ihm einfach nur eine. Er war echt zu weit gegangen und musste einfach sein Verhalten ändern. So konnte das nicht weiter gehen. Er legte seinen Arm auf das Autodach und wir lieferten uns eine Art Blickduell. Ich wartete auf seine Reaktion und komischerweise hatte ich diesmal gar keine Angst davor, was er tun würde. Sollte er mir doch weh tun, was ich dann tun würde, wusste ich zwar noch nicht, aber naja. Wenigstens hatte ich in diesem Moment keine Angst, vielleicht lag es am Adrenalin, keine Ahnung. „You can’t do everything with me, what you want. And you can‘t hit people if you want to.”, meinte ich bevor er überhaupt reagieren konnte.

Zum zweiten Mal, seit wir uns kannten, landete ihre Handfläche auf meiner Wange, und durch die Wucht drehte sich mein Kopf etwas zur Seite. Die Farbe meiner Augen verdunkelte sich etwas und ich griff aggressiv nach Bo's Handgelenken, um sie dann mit dem Rücken gegen das Auto zu drücken. Mein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, meine Muskeln waren angespannt. "Yeah, I landed him one in the face 'cause he got in my way", zischte ich und sah ihr direkt in die Augen. "But I'd never hurt you." Meine Stimme war etwas leiser geworden und mein Blick wanderte zu ihren Lippen. "You're mine. And I've always defended what belonged to me." Mein Griff um ihre Handgelenke wurde lockerer, als mir bewusst wurde, wie fest ich sie gehalten hatte. "Now, get in the car." Ich löste mich von ihr, bevor ich langsam den Wagen umrundete, um zur Fahrerseite zu gelangen. Dabei ruhte mein Blick stets auf Bo, um sicher zu gehen, dass sie nicht doch wieder die Flucht ergriff.

Ich klatschte ihm eine, ja meine bloße Handfläche landete auf seiner Wange. Das Geräusch, was meine Handlung hervorrief war gar nicht schön, genauso wenig die Tatsache, dass sein Kopf sogar ein Stückchen zu Seite ging. Hoffentlich hatte ich ihm nicht allzu sehr weh getan. Aber naja diesmal hatte er es sogar richtig verdient. Er griff nach meinen Handgelenken und drückte mich dann gegen den Wagen. Das tat echt ganz schön weh. Einerseits weil sein Griff so fest war und halt weil sich der Wagen in meinen Rücken drückte. Blaue Flecken, hallo ich komme. Ich konnte sehen, dass alle seine Muskeln angespannt waren und jetzt machte er mir wirklich Angst. Ich hatte noch nie so viel Angst vor ihm gehabt, wie in diesem Moment. Vor allem als seine Stimme leiser und bedrohlicher wurde. Ich hatte sogar das Gefühl das seine Augen dunkler geworden waren. Ja er war anscheinend richtig wütend. Eigentlich hätte ich ihm sagen sollen, dass ich ihm nicht gehörte, aber ich brachte keinen Ton raus. Irgendwann wurde sein Griff lockerer. Als er mich dann ganz los ließ, musste ich erst mal meine Handgelenke bewegen, damit wieder richtig Blut in meiner Hände kam. Da ich eh keine Chance gegen ihn hatte, musste ich doch einsteigen, dafür zog ich Türe etwas fester als normal zu. Genervt und wütend schnallte ich mich an.

Es war niemals meine Absicht gewesen, so mit ihr umzugehen, aber es überkam mich dennoch immer wieder. Ihre Sturheit trieb mich bestimmt noch in den Wahnsinn. Allerdings könnte ich mich jedes Mal selbst dafür schlagen, sobald ich ihr erneut Schmerzen zufügte. Ich konnte nichts dagegen tun, mein Körper tat einfach, was er wollte und mein Verstand setzte meist erst Minuten später ein. Innerlich erleichtert darüber, dass Bo nicht länger protestierte, setzte ich mich hinters Lenkrad und startete den Motor. Wir schwiegen uns die ganze Fahrt über an, während es langsam zu dämmern begann. Der Himmel färbte sich orange und es wurde kühler. Schließlich fuhr ich vor Bo's Haus vor. "I'll be here at nine tomorrow." Meine Stimme war noch immer fest, klang aber nicht mehr wütend. Dennoch vermied ich es weiterhin, sie anzusehen und blickte stattdessen stur geradeaus. Ich schnallte mich ab und stieg aus, da die Beifahrertür nach wie vor verschlossen war. Ich öffnete sie und Bo stieg aus. "Bo." Noch bevor sie davon stapfen konnte, ergriff ich ihre Hand. Nicht zu fest und nicht zu leicht, gerade so, dass ich sie noch einmal zu mir ziehen konnte. Ich senkte meinen Kopf und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange. "See you tomorrow." Ich gab ihre Hand frei, ließ meinen Blick noch einmal über sie wandern und ging anschließend zurück zum Auto.

Ich war ins Auto gestiegen, wie er wollte. Aber innerlich kochte ich immer noch vor Wut. Ich hatte wie ein kleines trotziges Kind die Arme verschränkt und schmollte, sozusagen. Denn ich vermied es ihn anzusehen und hielt meinen Blick nach vorne oder aus dem Fenster gerichtet. Ich weigerte mich auch etwas zu sagen, naja das war gar nicht nötig, weil Seth auch kein Wort sagte. Zwischen uns herrschte ein unbehagliches Schweigen. Aber ich wartete immer noch darauf, dass er sich bei mir entschuldigte. Am liebsten wäre es mir auch gewesen, wenn er sich bei Marc entschuldigte, aber das würde er sowie so niemals machen, also würde ich es lieber nicht riskieren, indem ich fragte. Ich hatte schließlich nun wieder so richtig Angst vor ihm. Als wir hielten unterbrach er endlich das schweigen. Ich sagte aber nichts darauf, kein okey, aber auch kein nein. Er klang nicht mehr so wütend, sondern wieder wie er selbst. Ich war froh darüber, denn wenn er wütend war, hatte ich sogar noch viel mehr Angst vor ihm, als ohnehin schon. Dann schwiegen wir wieder, bis mein Begleiter sich abschnallte und ausstieg. Da ich mir sicher war, das er wieder die Beifahrertür abgeschlossen hatte, versuchte ich erst gar nicht aus dem Auto zu kommen. Er öffnete mir die Autotür und ich stieg aus. Immer noch sagte ich kein Wort und wollte gerade gehen, als er meine Hand nahm und mich an sich zog. Er küsste mich auf die Wange und sagte, dass wir uns morgen sehen würden. Dann ließ er mich los und ich sah ihm noch mal kurz in die Augen. Mein Blick war schon etwas sanfter, denn nach und nach verrauchte meine Wut langsam. Dann ging ich zur Haustüre und rein. Meine Mum war natürlich ganz aus dem Häuschen, dass Seth mich heimgebracht hatte und noch auf die Wange geküsst hatte. Also musste ich noch mit ihr über ihn reden, bis ich endlich meine Ruhe hatte.

ENDE