X | Emily & Luke | See | 5.30 PM

Wir schlenderten zusammen zum Wagen, den ich per Funk via Hand-in-Hosentasche-mit-Schlüssel öffnete. Der Volvo quietschte einmal auf. Kurz bevor wir den Wagen erreichten, zog ich meine Hand von Emilys Schulter und führte sie mit dem rechten Arm in Richtung Beifahrertür, ehe ich umdrehte und selbst auf dem Fahrersitz Platz nahm. Die Tür zu öffnen schaffte sie sicher alleine. Ich war Gentleman genug sie abzuholen.
„Let's go“, meinte ich gut gelaunt als sie sich neben mich gesetzt hatte und drehte die Musik laut auf. Die Boxen hatten ein Kumpel und ich zusammen frisiert und wir waren extrem stolz auf das ausgefeilte Soundsystem, das keiner in diesem Mittelklassewagen erwarten würde.
Ich parkte zügig aus und schlug den Weg Richtung See ein. Heute war top Wetter. 20 Grad und Sonne. Mit der linken Hand betätigte ich den Schalter, um das Dachfenster zurück fahren zu lassen. „Some fresh air?“ Ich wandte mich mit einem Grinsen zu ihr.
Damit sie auch ja genug frische Luft bekam, drückte ich noch mal aufs Gas. Ich fuhr grundsätzlich zu schnell. Obwohl mich das bereits dutzende Strafzettel gekostet hatte, hatte ich nicht vor meine Angewohnheit in der nächsten Zeit abzulegen.
Wenn man langsam fahren wollte, konnte man genauso gut den Zug, Bus oder das Fahrrad nehmen.
Es dauerte dank meinem Fahrstil keine halbe Stunde bis wir die geschotterte Einfahrt erreichten, die zum See führte. Zuerst ging es durch ein kleines Waldstück, in dem sich auch der Parkplatz befand. Ganz offiziell war das Ganze nicht, aber ein guter Kumpel von mir organisierte Parasailing für Freunde.
Ich hielt den Wagen abrupt an und stellte den Motor ab. „That's it. Do you have a notion what we're doing here?“ Ich lächelte sie erwartungsvoll an.

Mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Allerdings schien er auch jetzt, wo wir alleine und außerhalb meines Hauses waren, nicht so, als wolle er mir etwas Böses. Ich wusste ja, dass ich gerne mal übertrieb und die Dinge schlimmer hinstellte, als sie eigentlich waren, aber man konnte ja nie wissen. Lieber etwas vorsichtiger als.. ehm, ja, lieber etwas vorsichtiger. „Some fresh air?“, brüllte er mich über die Musik hinweg an und ich sah erschrocken zu ihm rüber, kam allerdings gar nicht dazu zu antworten, da er bereits das Dachfenster öffnete. Ich blickte nach oben. "Uhm, thank you", murmelte ich, aber vermutlich hatte er es sowieso nicht gehört. Luke hatte einen interessanten Musikgeschmack. Nicht denselben wie ich, aber eben genau so, wie ich mir den Musikgeschmack eines 'Bad Boys' vorstellte. Hauptsache laut und mit ganz viel Bass. Obendrein fuhren wir ziemlich schnell, viel schneller als ich es von meiner Mutter gewöhnt war, die immer lieber etwas trödelte. Sogesehen...fand ich es eigentlich mal ganz gut. Hätte ich ihn besser und länger gekannt, hätte ich bestimmt laut 'Woohooooo' gerufen, aber nö, der Zug ist abgefahren, mein Freund.
Nach einiger Zeit fuhr Luke in einen Wald. Ich liebte es, wie es dort roch, aber natürlich war das hier auch ein ziemlich weit abgelegener Ort und niemand würde mich schreien hören, wenn ich es täte. Verdammt, ich musste aufhören, mir mit meinen Mädels ständig Horrorfilme reinzuziehen. „That's it. Do you have a notion what we're doing here?“ Ich zuckte mit den schmalen Schultern. "Well, we probably won't collect mushrooms", sagte ich mit einer erhobenen Augenbraue und schaute ihn unsicher an.

Es wunderte mich, dass Emily nicht anfing zu schreien als wir in den geschotterten Waldweg einbogen. Weit abgelegen vom nächsten Dorf.
Trotzdem schien sie keinen Plan zu haben, was ich mit ihr vorhatte. Well, we probably won't collect mushrooms" Ich lachte kurz auf. „You're a genius“, lobte ich sie kurz davor und stieg aus. Den See konnte man von hier noch nicht sehen, wir musste noch ein Stück laufen. „Take all the stuff with you.“
Ich schnappte mir die Handtücher und die Sporttasche, in der ich meinen Neopren verstaut hatte. Da ich öfter im Surfurlaub gewesen war, hatte ich mir einen eigenen zugelegt. Jonathan hielt einen für Emily bereit.
Nachdem die Brünette ihr Zeug geschnappt hatte, machten wir uns auf den Weg Richtung See. Es dauerte keine Minute, da bogen wir um eine Kurve und die Lichtung kam zum Vorschein, in der sich ein großer See erstreckte, dessen Ende man nur erahnen konnte.
Ich sah zu Em rüber, um ihren Gesichtsausdruck in diesem Moment nicht zu verpassen.

„You're a genius.“ Ich nickte. "I know, right?" Ich musste fast grinsen, allerdings wehrte ich mich mühevoll dagegen. Luke stieg aus dem Wagen, was ich ihm schließlich gleich tat. Ich sah mich langsam um, stellte fest, dass ich mich hier nicht auskannte und spielte mit dem Gedanken, mich einfach wieder ins Auto zu setzen und auf stur zu schalten, solange, bis er mich wieder nach Hause fuhr, aber andererseits...naja, so war ich einfach nicht. „Take all the stuff with you.“ Zögerlich befolgte ich seine Anweisungen, schnappte mir also meine Tasche und stieß die Türe zu, bevor ich mich zwei Schritte vom Wagen entfernte. Luke war schon voraus gelaufen, während ich noch einige Sekunden lang dort stehen blieb. "Damn", nuschelte ich, ehe ich Luke seufzend hinterher lief. Okay, ich rannte viel mehr, da ich ihn aus den Augen verloren hatte. Oh Gott, Panik. Unerwartet trat er wieder in mein Sichtfeld und ich rannte ihn beinahe um, schaffte es aber noch, vorher anzuhalten. Allerdings entwich mir ein leises "Oh!" dabei und ich taumelte wieder einen Schritt zurück. Okay, peinlich. Ich folgte Lukes Blick und erkannte schließlich den vor uns liegenden See. "So, you wanna drown me?", fragte ich, relativ gleichgültig und nur um ihm zu zeigen, dass ich bereits auf das Schlimmste gefasst war.

Emily war echt verwirrt. Erst weigerte sie sich mitzukommen, dann rannte sie mir hinterher und mich dabei fast um. Dieses Mädel war völlig durch den Wind, aber ihre Tollpatschigkeit sah man ihr nicht an. Man bemerkte sie erst, wenn man ihrem Äußeren verfallen war, - und dann war es schon zu spät. Sie war wie diese Fische, die sich als Pflanzen tarnten und dann ihre nichtsahnende Beute verschlungen.
Ich sah neben mich und musste über meine Gedanken lachen. "So, you wanna drown me?", fragte sie gleichgültig als sie einen Blick auf den See erhaschte. „I told you you're a genius, didn't I?“ Ich spielte ihr Weltuntergangsspiel mit, denn die Überraschung war viel zu gut, um sie ihr einfach so zu verraten.
„Come on“ Ich legte meinen Arm um sie und zog sie mit mir. „It'll be fun.“ In diesem Moment trat Jonathan aus dem Schatten einer kleinen Hütte hervor und kam uns winkend entgegen. „Hey guys, good to see you!“ Er begrüßte mich mit einem Handschlag und wandte sich dann Emily zu. „I guess you're Emily?“, fragte er freundlich und gab ihr die Hand. „Just follow me, sweetheart, I'll show you the stuff you need.“ Er führte Emily zur Hütte und übergab ihr den dunkelblauen Neoprenanzug. „You could get dressed inside.“ Jonathan wies mit einem Kopfnicken ins Innere der Hütte.
Ich packte derweil meinen Neopren aus der Tasche und zog ihn über die Badehose. Während wir uns umzogen, besorgte Jonathan den Schirm und machte ihn startklar. Das Motorboot lag bereits am Steg und wartete auf seinen Einsatz.

Mir fiel auf, dass ich überhaupt niemandem von heute Nachmittag erzählt hatte. Keine meiner Freundinnen wusste bislang etwas von Luke, das hieß also, dass ihn absolut niemand verdächtigen würde, wenn man mich suchen und dann auf dem Grund dieses Sees finden würde. Mimimi, Hilfeee. Nein. Schluss jetzt, Em, schalt' mal einen Gang runter! „I told you you're a genius, didn't I?“ Das klang scherzhaft, worüber ich erleichtert aufatmete. Naja, gedanklich. Nach außen hin blieb ich auf der Hut. „Come on, it'll be fun“, sagte er und legte seinen Arm um mich, wogegen ich nicht wirklich etwas unternehmen konnte, aber wirklich stören tat es mich in dem Moment eh nicht. Ich hätte nur gerne endlich erfahren, was es mit dem See auf sich hatte. Wir erreichten eine Art Hütte, aus welcher plötzlich ein Typ heraus kam und uns entgegen schlenderte. Toll, jetzt waren sie sogar zu zweit. Der Fremde begrüßte erst Luke und dann mich, ich rang mir ein Lächeln ab und blickte unsicher zu Luke auf. Viel zu gern hätte ich mal in seine Gedanken reingehört, aber so weit war die Wissenschaft leider noch nicht. Lukes Freund, oder wer auch immer er war, führte mich zu der kleinen Hütte und überreichte mir dort einen merkwürdigen Anzug. "I, uhm, okay?" Ganz kurz schweifte mein Blick noch einmal zu Luke, aber als ich registrierte, dass er im Moment lediglich Badeshorts trug, sah ich reflexartig wieder weg und verkroch mich ins Innere der Hütte. Der Anzug lag ziemlich eng an und als ich merkte, dass ich nicht an den Rückenverschluss kam, hätte ich mich am liebsten auf den Boden gesetzt und gewinselt. Stattdessen riss ich mich zusammen und schob die Tür einen winzigen Spalt auf. "Uhm, hello? I need help with.. the closure." Zum Glück war es nicht Luke sondern sein Freund, der mich hörte. Er kam zu mir und der Verschluss war schnell nach oben gezogen, was mich beruhigte. "Thanks", murmelte ich und tapste vorsichtig nach draußen. "I'm gonna kill you for this!", rief ich blind in die Natur, weil ich Luke gerade nicht entdecken konnte, und sah seufzend an mir herab. Also, high fashion ist was anderes.

Ich prüfte schon mal das Boot. Wenig später schien Emily fertig umgezogen zu sein. Jedenfalls ließ ihr Kommentar: "I'm gonna kill you for this!" darauf schließen. Ich lachte bloß und drehte mich zu ihr um. „The wetsuit looks well on you“, verkündete ich ihr mit einem Lächeln.
Jonathan hatte den Schirm fertig vorbereitet. „Guys, come off and take this on.“ Er hielt zwei Gurte in die Luft, die der Sicherung dienten. Er verschnallte uns damit. Ich bemerkte Emilys Unsicherheit und tätschelte ihr belustigt den Kopf. „It'll be fun, trust me. There's nothing you have to fear from.“
Wir folgten Jonathan aufs Boot. Er befestigte den Schirm an den Sicherungen und schmiss den Motor an. „Are you ready, guys?“, fragte er, ehe er das Boot von der Befestigung löste und langsam beschleunigte. „If anything happens, just scream as loud as you can.“, wies er uns an, wobei diese Bemerkung eher Emily galt. Zugegeben, wirklich beruhigend klang diese Anweisung nicht.
Jonathan beschleunigte das Boot weiter, bis der Schirm sich entfaltete und uns langsam mit sich zog. Langsam kurbelte Jonathan das Seil weiter, bis wir eine gute Höhe erreicht hatten.
„Yeeeeeeeaaaah“, rief ich begeistert und legte meinen Arm um Emilys Schultern. „I didn't promised too much, did I?“, raunte ich grinsend zu ihr rüber und genoss dieses gigantische Gefühl hier oben zu fliegen.

Ich hörte ihn lachen, allerdings hinter mir, weshalb ich mich herumdrehte und feststellte, dass er immerhin auch so einen Anzug trug. An ihm sah der zwar auch nicht viel besser aus, als an mir, aber dafür schien ihn das auch herzlich wenig zu stören. Ich wusste ja, dass uns hier sonst niemand sehen würde, aber ich fühlte mich einfach nicht besonders wohl in dem Ding. Ich schnaubte leise, als er mir sagte, dass der Anzug mir gut stand. Ahahaha - klar. Luke und sein Freund befanden sich bereits beide auf einem Boot, das mir bis eben noch gar nicht aufgefallen war. Unsicher und kerzengerade stand ich im Gras und weigerte mich, einen Schritt vorwärts zu machen. Der eine hielt zwei Gurte hoch und bat uns, herzukommen. Naja, mich, denn Luke war ja schon startklar. "I'm scared", gab ich zu, ohne einen von beiden anzusehen, aber ich setzte mich in Bewegung. Lukes Freund schnallte ihm und mir die Gurte um. „It'll be fun, trust me. There's nothing you have to fear from.“ Ich ignoriere sein Kopftätscheln gekonnt und versuchte, mich auf seine Worte zu konzentrieren. Trotzdem schob ich Panik. Der Motor des Bootes sprang an und es fing an, sich vorwärts zu bewegen. Die Worte des Typen hatten keine besonders ermutigende Wirkung auf mich. "Awesome", nuschelte ich missmutig. Das Boot wurde schneller und schneller, während mir schon langsam übel wurde. "We're all gonna die", jammerte ich und hielt mir beide Hände vors Gesicht, ehe ich spürte, wie das Ding, in dem wir saßen, abhob. Ich zuckte heftig zusammen, als Luke seinen Arm um mich legte. „I didn't promise too much, did I?“ Ich zwang mich, meine Hände etwas nach unten zu nehmen. "I've never done this before and I'm afraid of heights, so yeah, really great", antwortete ich und versuchte, tief durchzuatmen. Allerdings musste ich zugeben, dass die Idee an sich eigentlich ganz cool war. Und ich gewöhnte mich langsam an die Höhe. Eine Frage brannte mir allerdings noch immer auf der Seele: "Any reasons why we're doing this? I mean, you don't know me. Well, maybe better than I know you, which is extremely creepy, but yeah.. tell me?" Ich klammerte mich zwar nach wie vor an meinem Sitz fest, aber ich schaffte es, meine Augen offen zu halten und Luke anzusehen, der offenbar etwas mehr Spaß an der Sache hatte, als ich. Aber was erwartete er denn von mir? Ich kannte ihn kaum.

Kurz bevor wir abhoben, jammerte Emily in gewohnter Manier. "We're all gonna die" Ich ignorierte sie bewusst und konzentrierte mich auf das geniale Feeling. Nur Sex war besser. Emily konnte da wahrscheinlich keinen Vergleich treffen, haha.
Die Brünette verzog noch immer skeptisch das Gesicht. "I've never done this before and I'm afraid of heights, so yeah, really great", bemerkte sie sarkastisch. „Are you always that indifferent?“, fragte ich grinsend. Scheinbar war ich immun gegen Emilys schlechte Launen.
Jonathan drehte sich immer wieder zu uns um. Ich streckte ihm breit grinsend den nach oben ausgestreckten Daumen entgegen, weil ich keine Lust hatte, gegen den Gegenwind und die Motorgeräusche anzubrüllen.
Das Boot flog regelrecht dahin und hielt den Schirm in gleichbleibender Höhe. Von hier hatte man eine geniale Aussicht auf den umliegenden Wald und die Felder, die sich dahinter erstreckten.
"Any reasons why we're doing this? I mean, you don't know me. Well, maybe better than I know you, which is extremely creepy, but yeah.. tell me?", fragte Emily plötzlich trocken. Ich zog die Augenbrauen hoch und wusste ausnahmsweise nicht, was ich darauf erwidern sollte. Wieso kreuzte ich morgens um 5 bei Emily auf, um sie vorm Schlafengehen nochmal zu sehen? Wieso machte ich mir die Mühe, ihren Namen, Wohnort und Beziehungsstand zu erfragen? Rein objektiv betrachtet war sie nichts Besonderes. Sie hatte braune Haare, große Augen, war relativ klein, aber sportlich gebaut. Ihre Brüste waren nicht überdurchschnittlich groß, ebenso wenig wie ihr Po. Sie glänzte nicht durch ihre positive Einstellung und konnte echt nerven. Und trotzdem: Ich hatte sie hierher gebracht und einen Aufwand betrieben, den ich damals nur für Joyce in Kauf genommen hätte, - wenn überhaupt. Der große Unterschied dabei war, dass Joyce zu diesem Zeitpunkt meine Freundin war und Emily war meilenweit davon entfernt, auch nur so etwas wie Freundschaft für mich zu empfinden.
Ich schüttelte den Kopf, als wollte ich dadurch meine Gedanken los werden. „You could stop this every second you want to“, war das einzige, was ich von mir gab.
Jonathan schien einen siebten Sinn dafür zu haben, dass die Luft hier oben irgendwie dünn wurde und zog das Seil langsam ein, bis wir schließlich wieder Boden unter den Füßen hatten. Also Schiffsboden.

"Are you always that indifferent?" Ich sagte nichts mehr darauf, grinste aber ein bisschen. Normalerweise war ich jemand, der ständig lachte, vor allem über sich selbst, aber ich war mir noch immer nicht sicher, was ich von Luke und seinen seltsamen Aktionen halten sollte, also machte ich erstmal einen auf eiskalt. Nur zur Sicherheit. Und das durfte ich ihn natürlich nicht wissen lassen. Ich hinterlistiges Biest, hihi. „You could stop this every second you want to“, meinte er auf meine Frage hin, und ich war zugegeben etwas irritiert darüber. Eine wirkliche Antwort war das nicht gewesen, zumindest keine, mit der ich gerechnet hatte, und jetzt stand ich wieder vor einem riesengroßen Nichts. Lukes Enthusiasmus schien jedenfalls etwas verflogen zu sein, was mir fast ein bisschen Leid tat. Ich war eigentlich nicht so, wie ich mich ihm gegenüber gab, verdammt. Ich merkte, dass der Typ auf dem Boot uns langsam nach unten brachte, indem er das Seil einzog. Hm, das ging schneller vorbei, als gedacht. Schließlich kamen wir auf dem Boden des Bootes auf, aber anstatt mich hektisch von dem Gurt zu befreien, blieb ich regungslos sitzen und betrachtete meine Hände. Dumdidum.

"That was fun", meinte ich an Jonathan gewandt und gab mir Mühe nicht allzu gleichgültig zu klingen. Emilys Reaktion oder auch die, die ich mir erhofft hatte, aber nicht eingetreten war, frustrierte mich komischerweise.
"Well guys", er warf einen hektischen Blick auf seine Uhr, die er ums Handgelenk trug. "It's time, I have to go. Leave the wetsuit in the cabin", sagte er an Emily gerichtet und lächelte ihr freundlich zu. Jonathan war ein blonder Bilderbuch Surfertyp. Charmant, actiongeladen und immer gut drauf.
"Hope to see you soon!", rief er uns freundlich vom Steg zu, nachdem er den Schirm zusammen gepackt, uns davon abgeschnallt und das Boot wieder an Anker gelegt hatte. Keine Minute später war er aus unserem Sichtfeld verschwunden.
Ich sog hörbar Luft ein und wandte Emily den Rücken zu, während ich mir den Neopren vom Körper schälte. "It was my fault", begann ich bissig. "I thought you wouldn't be that boring and dull when I took you with me."
Ich war gerade echt angepisst und am liebsten hätte ich Emily einen Taxi gerufen und ihr 20 Dollar Fahrtgeld in die Hand gedrückt.

Ich fühlte mich plötzlich ziemlich unwohl. Gut, eigentlich war das die ganze Zeit schon der Fall gewesen, aber jetzt gerade besonders. Ich wurde beauftragt, den Anzug in der Hütte zu lassen, woraufhin ich brav nickte. Wir wurden abgeschnallt und ich machte seltsame Handbewegungen, um meine Finger wieder etwas zu lockern, die sich so krampfhaft um den Sitz geklammert hatten. Dabei wagte ich es kein einziges Mal, Luke anzusehen. Zumindest solange nicht, bis er zu sprechen begann. Als er meinte, es sei seine Schuld gewesen, blickte ich verwirrt zu ihm auf, weil ich keine Ahnung hatte, worauf genau er anspielte. Das, was er dann losließ, traf mich dann allerdings ziemlich hart. "Oh yes, I'm very sorry that I can't immediately consider a foreign person as my friend, if I barely know their name", gab ich etwas schnippisch zurück und schob mich an ihm vorbei, um vom Boot zu klettern. "I'm a terrible, terrible person", sagte ich, meine Worte nur so von Sarkasmus triefend, und stapfte zu der kleinen Hütte, ehe ich mich nach drinnen begab und die Tür schloss. Ich schälte mich aus dem engen Anzug und zog mir wieder meine normalen Sachen über. Im Augenblick wollte ich einfach nur nach Hause, und das so schnell wie möglich. Jetzt sollte ich auch noch die Böse sein, also bitte!

"Oh yes, I'm very sorry that I can't immediately consider a foreign person as my friend, if I barely know their name", keifte Emily zurück. Ich drehte mich wütend zu ihr um. "I'm a terrible, terrible person." Gerade als ich den Mund aufmachen wollte, um etwas zu sagen, schob sie sich energisch an mir vorbei und stapfte los Richtung Hütte.
"Fuck!", rief ich sauer als ich sie außer Hörweite glaubte und schlug mit der Faust auf die Sitzbank. Ein Schmerz durchfuhr meine Hand, was mir in diesem Augenblick echt gut tat. Dieses Date war komplett aus den Fugen geraten. Es sollte zwar ein verrückter Tag werden, aber im positiven Sinne. Statt Emily näher zu kommen, war sie jetzt noch weiter von mir weggerückt. Ich fühlte mich taub und ratlos. Keine Ahnung, wie ich das jetzt noch retten sollte. Vielleicht war es wirklich besser die Brünette zu vergessen und mich neu zu orientieren. Ich sollte Joyce besuchen. Der Gedanke an meine Ex stimmte mich gruseliger Weise wieder friedseliger. Ich holte tief Luft und stieß diese dann portionsweise wieder aus.
Scheiß doch auf diese Emily, es gibt noch tausende andere heiße Weiber da draußen.
Ich machte einen großen Satz vom Boot auf den Steg und marschierte los Richtung Auto. Wenn Emily nicht zu schätzen wusste, was das hier bedeutete, dann war sie es nicht wert. Ich war sauer, genervt und aggressiv. Eine schlechte Mischung. Trotzdem wollte ich, dass Emily mit heim fuhr. Sie hier allein zurück zu lassen, würde ich nicht übers Herz bringen.
"Come on, Emily!", rief ich deshalb, halbwegs bemüht neutral zu klingen.

Schön, jetzt waren wir wenigstens beide wütend. Trotzdem faltete ich den Anzug einigermaßen sorgfältig zusammen und legte ihn auf den Tisch. Ich hörte Luke nach mir rufen, was mich zugegeben ein bisschen erstaunte, da ich fast schon davon ausgegangen war, dass er ohne mich fahren würde. Was kein Weltuntergang gewesen wäre, da ich mein Handy dabei hatte, aber es hätte mich in jedem Fall noch wütender gemacht. Ich schob die Tür auf, schloss sie hinter mir wieder und lief seufzend auf Luke zu, bemüht darum, ihn nicht anzusehen. Ich konnte noch nie gut streiten, weil mir an einem bestimmten Punkt einfach die Tränen kamen, aber so weit war es zum Glück noch nicht. Und dazu würde es hoffentlich auch nicht mehr kommen. Schweigend gingen wir zu seinem Wagen und ich begab mich schmollend auf den Beifahrersitz. Ich ließ meinen Kopf gegen die Lehne sinken und schloss meine Augen. Downcalmen und so. Ich war sowieso nie lange wütend, aber dafür unendlich stur. Ich konnte Luke für den Rest seines Lebens denken lassen, ich sei sauer auf ihn, obwohl ich es gar nicht mehr war. Und ich wusste nicht, ob es das war, was ich wollte, um ihn loszuwerden, oder ob ich ihn überhaupt loswerden wollte. Rückblickend hatte er sich wirklich Gedanken über diesen Nachmittag gemacht und ich fand es schade, dass wir jetzt schweigend nebeneinander saßen, aber andererseits fragte ich mich auch, wo genau jetzt eigentlich sein Problem lag. "Why exactly are you mad at me?", fragte ich, weil ich gerne den Grund wüsste, weswegen wir auf Kriegsfuß standen, und blickte fragend zu ihm rüber. Keine Wut mehr in meiner Stimme. Bestimmt dachte er jetzt, ich hatte Stimmungsschwankungen. Aber ernsthaft, nur weil ich nicht in begeistertes Kreischen verfallen war, als ich mit meiner Höhenangst konfrontiert wurde, war das noch lange kein Grund, sauer auf mich zu sein. Irgendwas verschwieg er mir doch.

Wir stapften schweigend nebeneinander her Richtung Auto. Etwa 10 Meter bevor wir es erreichten, drückte ich den Knopf in meiner Hosentasche, um den Volvo zu entriegeln. Das grelle Quietschen erschien bei der Stille ungewöhnlich laut.
Ich setzte mich hinters Steuer und startete sofort den Motor. Beim Anfahren drehten die Reifen durch, weil der Schotter nicht genug Widerstand bot.
Nach einigen Minuten Fahrt ergriff Emily plötzlich das Wort. "Why exactly are you mad at me?" Ich hätte die halbe Stunde lieber mit Schweigen verbracht. Außerdem stand ich echt nicht auf Seelenstriptease und ihre Frage verlangte zumindest, dass ich teilweise über mein Innenleben sprach.
Ich antwortete ihr erstmal nicht, sondern warf ihr bloß einen genervten Blick zu. Nach weiteren Momenten der Stille, - naja, die Musik lief natürlich trotzdem -, entschied ich mich doch noch zu einer Anwort.
"You're damn right. You don't know me at all." Mir entglitt ein verächtliches Schnauben. "I'm no romantic and normally don't date a girl without having sex ... or stuff like that." Wir bogen auf einen Highway ein und ich beschleunigte den Wagen auf das doppelte. "And these girls are thankful just for getting exploited. It's more than they ever dreamed of." Klang alles ziemlich beschissen, aber ich ging davon aus, dass sie die Wahrheit wollte. Und das war meine Art und Weise ihr näher zu bringen, dass ich mir bei ihr ungewöhnlich viel Mühe gab und raus sprang dabei ... nichts. Ernüchternd.

Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was sein Problem war. Denn auf eine Predigt darüber, wie schrecklich nervig ich doch war, konnte ich herzlich verzichten und wenn er gleich tatsächlich damit anfing, nahm ich mir hiermit fest vor, dass ich ihn die restliche Fahrt über hysterisch anschreien würde, einfach nur, damit ich nicht höre, was er sagt. Zuerst bekam ich gar keine Antwort und lediglich einen bissigen Blick, wovon ich mich allerdings nicht beirren ließ. Als er dann schließlich doch anfing zu sprechen, konnte ich es nicht verhindern, dass meine Lippen sich öffneten und meine Augenbrauen sich hoben. Ich seufzte, ganz leise, und richtete meinen Blick wieder nach vorne. Ich hatte mir zwar schon gedacht, dass er einer 'dieser Typen' sein musste, aber dass ich offenbar nicht in sein übliches Beuteschema passte, erstaunte mich dann doch etwas. Was hatte ihn dann dazu getrieben, mich anzusprechen? War das überhaupt wichtig? Fakt war doch, dass er mich angesprochen hatte, vielleicht war es am besten, es einfach dabei zu belassen. Vermutlich konnte er sich diese Frage selbst nicht einmal beantworten. "I-I'm sorry, I didn't know..", stammelte ich und guckte auf meine Hände. Das tat ich häufig, irgendwie. "It's just, I was scared. I mean, you came to my house while I was sleeping and you were already in my room and.." Ich machte eine kurze Pause. "Something like that has never happened to me before." Meine Stimme wurde zum Ende hin leiser und ich wagte es noch immer nicht, ihn anzusehen. War vielleicht auch besser so. "Why am I talking so much..", jammerte ich und hielt mir die Hände vors Gesicht.

Meine Ansprache hatte es tatsächlich geschafft, die eiskalte Emily aufzutauen. Ich war selbst überrascht über ihre plötzliche Redseligkeit. "I-I'm sorry, I didn't know..", stammelte sie und wieder war ich überrascht: Ich erzählte ihr sozusagen, dass ich ein Arschloch war und sie entschuldigte sich dafür, dass sie das nicht wusste? Ich hätte eher damit gerechnet, dass sie mich dazu zwang auf der Stelle anzuhalten und sie aussteigen zu lassen.
"It's just, I was scared. I mean, you came to my house while I was sleeping and you were already in my room and.." Ich rümpfte die Nase. Klang nicht wirklich schockierend, was sie da von sich gab.
"Something like that has never happened to me before." "So you decided to nip it in the bud?", fragte ich verwirrt und warf ihr einen flüchtigen Blick zu.
"Why am I talking so much.." Emily hielt sich jammernd die Hände vors Gesicht, was mich dann doch wieder zum Lachen brachte. "That's a girls' thing", beschwichtigte ich sie. "At the beginning being silent as a grave and then running off at the mouth." Ein breites Grinsen schlich sich auf meine Lippen.

Das hatte er jetzt davon. Wenn klein Emily auftaut, redet sie wie ein Wasserfall, und mein kleiner Vortrag von eben war nur ein winziger Vorgeschmack gewesen, also konnte er sich echt noch auf was gefasst machen, sofern wir weiterhin in Kontakt blieben. Was ich im Moment absolut nicht einschätzen konnte. "So you decided to nip it in the bud?" Ich nickte eifrig. "That's my way to handle problems and.. strange situations." Ein kleines Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als mir bewusst wurde, wie sehr ich überreagiert hatte. Trotzdem: Ich hatte soetwas noch nie erlebt, das war sozusagen mein Bonus in dieser Konversation. Keine Ahnung, ob man es mir ansah, aber ich war sichtlich erleichtert über die Tatsache, dass Luke wieder bessere Laune zu haben schien, nachdem ich mir alles von der Seele geredet hatte. "At the beginning being silent as a grave and then running off at the mouth." - "Well, you have to know", erwiderte ich und lachte leise. "You know what? You're alright, Luke", fügte ich hinzu und schaffte es endlich, ihn kurz anzusehen und zu lächeln, nur um dann sofort wieder nach draußen zu blicken. Blickkontakt ist anstrengend, oh, und peinlich, wenn man dabei rot wird.

"That's my way to handle problems and.. strange situations." Während sie grinste, nickte ich schmunzelnd. "Sounds like generalship", erwiderte ich mit einem Lächeln und lenkte den Wagen durch die mittlerweile kleiner gewordenen Straßen Londons. Das war ein eindeutiges Indiz dafür, dass wir bald angekommen waren.
Eine kleine Spitze zu meiner Mädels-Weißheit konnte sich Emily nicht verkneifen, aber daran war ich gewöhnt. Selbst wenn ich mich verstellte, um den Eindruck zu vermitteln, dass ich der ideale Schwiegersohn wäre, änderte das nichts daran, wie man mich sah. Scheinbar stand auf meiner Stirn in nur für Frauen lesbarer Schrift eine Art Warnhinweis.
"You know what? You're alright, Luke", sagte sie plötzlich. Es war echt bescheuert, aber ihre Worte jagten mir eine Gänsehaut über den Rücken. Glücklicherweise konnte ich dieses Geheimnis auf ewig für mich bewahren und musste mich nicht als Memme outen.
"That's what I wanted to show you all the time." Ich versuchte möglichst gleichgültig zu klingen und zuckte unterstreichend mit den Schultern. "Would you do me a favour?" Ich sah kurz zu ihr rüber. "Don't peg me as a guy who's simply your friend." Vielleicht übertrieb ich es gerade mit Ehrlichkeit, aber ich hatte wirklich kein Bock auf diese just-a-friend Nummer. Ich wollte nicht irgendein Kumpel von Emily sein.

"It is, and it usually works", erwiderte ich und seufzte schließlich leise. Zwar schien Luke nicht besonders oft und gern über sich selbst zu sprechen, aber dennoch hatte ich inzwischen das Gefühl, zumindest einen kleinen Einblick in sein Leben erhalten zu haben. Okay, zumindest über das Offensichtliche wusste ich jetzt bescheid, und einigen hätte das vermutlich schon gereicht, aber mir nicht. Es fiel mir schwer, jemanden so nah an mich heranzulassen, ohne wirklich etwas über ihn zu wissen. Aber ich war bereit dazu, ihm eine Chance zu geben, einfach aufgrund der Tatsache, dass er von seinem Womanizer-Gehabe abgewichen war. Für mich. Schon krank, oder? Okay, diese Komplexe mussten echt mal aufhören.
Als er mich nach einem Gefallen fragte, schaute ich ihn an, antwortete aber vorerst nicht. Man konnte ja nie wissen. "Don't peg me as a guy who's simply your friend." Zuerst war ich unfähig zu sprechen und atmete deshalb erst einmal tief ein und aus, während ich meinen Blick wieder nach vorne richtete. Er wollte also mehr als Freundschaft, na schön. Es überforderte mich in dem Moment trotzdem. "I don't know what to say", gab ich kleinlaut zu und stellte fest, dass wir bald bei mir sein würden. In der Stadt waren wir immerhin bereits.

Ich bog ins Westend Londons ein, wo Emily wohnte. Eine Villa nach der anderen säumte den Straßenrand. Mein Volvo war hier der einzige Schandfleck, haha.
Die Brünette neben mir war ganz offensichtlich eingeschüchtert von dem, was ich soeben gesagt hatte. Ich schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. "You don't have to say anything", meinte ich, ehe ich den Wagen neben ihrem Haus, das wir gerade erreicht hatten, zum Stehen brachte.
"The day was not the way I planned it", begann ich und drehte die Musik etwas leiser. "I'll make up for it." Lächelnd drehte ich mich zu ihr um. Ich wurde absolut nicht schlau aus ihr und ihre Stimmungswechsel brachten mich regelmäßig aus dem Konzept, aber wahrscheinlich bestand genau daraus der Reiz.
Ich strich ihr eine lose Strähne hinters Ohr und schwieg.

Als er meinte, ich müsse nichts sagen, schaffte ich es wenigstens, mich zu einem Lächeln durchzuringen. Irgendeine Art von Reaktion war ich ihm schließlich schuldig. "The day was not the way I planned it", sagte er und ich schluckte schwer. Hatte ich ja super hingekriegt. Egal, in zehn Jahren konnten wir hoffentlich darüber lachen, auch wenn ich vermutlich selbst dann noch rot anlaufen und gedanklich im Erdboden versinken würde, aber gut. "I'll make up for it." Das hieß dann wohl, dass wir uns wieder sehen würden. "Okay", japste ich leise, als er eine Strähne meines dunkles Haares aus meinem Gesicht verbannte. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie er eigentlich aussah: nämlich ziemlich gut. Zwar war ich im Club schon von ihm überwältigt gewesen, aber da war mein Bild von ihm auch noch ein völlig anderes, nämlich ein eher weniger positives, gewesen. "I guess I'll hear from you?", fragte ich leise und probierte, meinen Herzschlag wieder zu beruhigen, was sich allerdings als schwieriger entpuppte, als gedacht.

Emily war zur Abwechslung ganz kleinlaut geworden und ich musste zugeben, dass mir das teilweise besser gefiel. Ich mochte es nicht, wenn ein Mädchen allzu selbstständig war. Sie sollte eine Schulter zum Anlehnen brauchen und eine gewisse Schwäche ausstrahlen. Darauf stand ich einfach. Ein Mädel musste den Mann Mann sein lassen.
"I guess I'll hear from you?", fragte die Brünette vorsichtig. Ich nickte. "Take care of yourself", mahnte ich sie, während sie vom Beifahrersitz nach draußen kletterte.
Sie ließ die Tür zufallen und ich sah ihr nach, wie sie die Treppen zur imposanten Tür der Villa hoch lief. Erst als sie im Haus verschwunden war, startete ich den Motor und fuhr in hoher Geschwindigkeit los.

ENDE