X | EMILY & LUKE | LUKES' HOME | 1 AM

Mein Blick wandert vom leeren Tisch zur Küchenzeile, die ebenfalls leer ist. Das war sie als ich gegangen bin definitiv noch nicht. Ich lege die Stirn in Falten und sehe wieder zu Emily. „Did you wash the dishes?“, frage ich überrascht. Innerlich schlägt meine Faulheit Saltos. Ich sollte sie öfter zu mir einladen oder besser: abfüllen und nach Hause schleppen. Denn nichts anderes war gestern Abend passiert.
Ich drehe mich zum Gehen als die Brünette meint, dass sie fertig ist. Im winzigen Flur schlüpfe ich in meine Schuhe und ziehe schließlich die Eingangstür auf. „Ladies first“, sage ich und mache einen Schritt zurück, um Emily an mir vorbei huschen zu lassen. Wir laufen die Treppen runter und verlassen das Gebäude. Da die Straße relativ verkehrsberuhigt ist, gibt es immer ausreichend freie Parkplätze. Auf einen von ihnen habe ich gestern geparkt. Glücklicherweise hat Emily nicht mehr mitbekommen, in welchem Geisteszustand ich uns heim gefahren habe. Ich schließe das Auto per Funk auf und setze mich hinters Lenkrad. Wie gesagt, Emily weiß ja wie man Beifahrertüren öffnet.

„Did you wash the dishes?“ Er klingt ziemlich überrascht und danach aussehen tut er auch. "Think so", erwidere ich schulterzuckend und lächele ein bisschen. Ich bin zu gut für diese Welt, ich weiß. Ich binde mir also die Haare zu einem Dutt hoch, sodass es kaum auffällt, dass sie noch nass sind, und gebe Luke bescheid, als ich fertig bin. „Ladies first.“ Ich schlüpfe aus seiner Wohnung und wir laufen die Treppen nach unten, verlassen schließlich das Gebäude und gehen zu seinem Wagen. Ich platziere meine Tasche auf meinen Beinen, nachdem ich mich auf den Beifahrersitz habe fallen lassen, und ziehe die Tür zu. "Oh gosh, I didn't call my mum yesterday, right? Oh no..", jammerte ich und mein Kopf sank zurück gegen die Rückenlehne. Hoffentlich haben meine Eltern nicht schon die Polizei gerufen, sowas kann ich jetzt echt nicht brauchen. Eigentlich will ich einfach nur auf meiner Luftmatratze im Pool entspannen und sonst gar nichts tun. Apropos: "So, what can I do to thank you?" Ich blicke zu ihm rüber. Irgendwie muss ich die Umstände, die er wegen mir hatte und immernoch hat, ja wiedergutmachen.

Sie hat tatsächlich das Geschirr abgewaschen. Wow, ehrlich, Respekt. Ich würde nie auf die Idee kommen woanders auch nur einen Finger krumm zu machen, wo ich das nicht mal hier richtig auf die Reihe bekomme. „Not bad“, kommentiere ich ihre Aktion.
Als wir schließlich im Auto sitzen und ich den Motor starte, fragt Emily plötzlich bestürzt, ob sie vergessen hat ihre Mutter anzurufen. „I hope so“, hingegne ich breit grinsend. „You were slurring all the time.“ Lachend werfe ich ihr einen Seitenblick zu. Es ist echt krass, dass sie sich noch Gedanken um ihre Eltern machen muss. Ich meine, wie alt ist sie denn? 16? Mir fällt plötzlich auf, dass ich keinen Schimmer davon habe. Vielleicht sollte ich mich mal informieren, nicht, dass ich mich noch strafbar mache.
"So, what can I do to thank you?" Ich rümpfe die Nase. „Come on, you wash the dishes!“, gebe ich breit grinsend zurück. Sie kann mich schlecht dafür bezahlen, obwohl ich davon ausgehe, dass sie genug Geld dafür hätte und sexuelle Dienste zu erpressen ist jetzt auch nicht unbedingt mein Stil. Was anderes fällt mir gerade nicht ein. Geld und Sex. Gibts überhaupt noch was anderes? Achja, Alkohol.

„I hope so, you were slurring all the time.“ Okay, damit hat er wahrscheinlich Recht. Aber: "Alright, but I guess my mum's just waiting for me to get drunk and all that, because it never happened before. She even makes jokes about it." Eigentlich total fies, ich mein, sie kann doch froh sein, dass ich nicht schon längst Alkoholiker oder Junkie bin, so wie die meisten anderen in meinem Alter, die etwas mehr Geld besitzen und ihr Leben ansonsten als langweilig empfinden. Ich liebe mein Leben, ich würd mir das nie durch sowas zerstören wollen. Mütter sind so undankbar.
„Come on, you wash the dishes!“ Luke wirft mir einen amüsierten Blick zu und ich rolle lächelnd mit den Augen. "Sure, just call me and I'll be there to clean up your flat, awesome." Natürlich nicht. Kann er sich nicht was anderes einfallen lassen, irgendwas, das auch wirklich machbar ist? Sonst bringt mich mein schlechtes Gewissen früher oder später um und ich hab noch einiges vor, bevor das passiert.
Ich habe einen Geistesblitz. Ich öffne meine Tasche und krame darin herum, solange, bis ich einen Kugelschreiber und ein frisches Taschentuch in der Hand halte. Einen Zettel hab ich leider nicht dabei, außerdem ist mein Handyakku leer. Ich schreibe sorgfältig, mit meiner schönsten Schrift, die Ziffern meiner Handynummer auf, weil ich nicht glaube, dass Luke sich jetzt, während der Fahrt, noch etwas ernsthaftes einfallen lassen wird, womit ich ihm danken kann. Wenig später rückt schon unsere Villa in Sichtweite. "Here", sage ich und lege das beschriebene Tuch vorne auf das Armaturenbrett. "It's my number. But please, don't call me to wash your dishes", bat ich und grinste leicht.

"Alright, but I guess my mum's just waiting for me to get drunk and all that, because it never happened before. She even makes jokes about it." Ich werfe ihr einen verwunderten Seitenblick zu. „Uhm and so what's the problem?“ Sie muss sich die Witze ihrer Mutter nicht mehr anhören und diese wiederum ist begeistert, dass ihr Tochter sich endlich Mal ihres Alters entsprechend verhält. Win win situation oder sehe ich das falsch?
"Sure, just call me and I'll be there to clean up your flat, awesome." Ich strahle. Das klingt nach einem guten Plan. Leider weiß ich, dass ihr awesome nicht halb so ernst gemeint ist, wie ich es mir wünsche.
Während ich durch Londons Straßen kurve, beginnt die Brünette in ihrer Tasche zu wühlen. Im Augenwinkel beobachte ich wie sie ein Taschentuch findet und es fein säuberlich mit – was auch immer – bemalt. Ich ignoriere es vorerst, weil Mädchen manchmal seltsame Ticks haben. Die einen sprühen sich alle 5 Minuten mit Deo ein, die anderen tragen nur hohe Schuhe, selbst wenn sie in Jogginghose rum laufen und wieder andere bemalen eben Taschentücher. Kann doch sein.
Wir sind fast da und gerade als ich einen Gang zurück schalte, legt Emily das besagte Tuch auf das Amaturenbrett. Ich werfe einen Blick drauf und erkenne, dass sie nichts gemalt, sondern geschrieben hat. Ihre Handynummer. Wobei die Zahlen so ordentlich aneinander gereiht sind, dass das Ganze fast als Kunstwerk durchgeht. "It's my number. But please, don't call me to wash your dishes" Ich seufze. „So, for what else could I need your number?“, frage ich mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen und halte vor dem majestätischen Eingangsbereich der Villa, in der sie wohnt. „Say hello to ya mom for me“, gebe ich ihr noch mit auf den Weg, ehe sie die Beifahrertür öffnet und aus dem Wagen klettert.

"My dad", antworte ich knapp und schaue aus dem Fenster. Eine Villa nach der anderen zieht an uns vorüber, okay gut, eher umgekehrt, aber naja. Der Kontrast zu Lukes Wohnung und der Gegend, in der sie sich befindet, ist schon ziemlich krass. Stören tut mich das nicht im geringsten, ich glaube, ich bräuchte den ganzen Luxus gar nicht unbedingt. „So, for what else could I need your number?“ Ich zucke mit den Schultern. "Hm, you're right", sage ich und schnappe mir das Tuch wieder und lasse es kurz in meiner Tasche verschwinden. Dann ziehe ich es jedoch wieder heraus, um es zurückzulegen, ehe ich grinse. "Well, I don't know, do with it whatever you want." Meinetwegen kann er sie auch wegschmeißen, es war ja nur ein Angebot. Naja, nicht mal das. Eher eine freundliche Geste. „Say hello to ya mom for me“, sagt er, als ich die Beifahrertür öffne. "Thank you for.. everything", meine ich noch lächelnd, ehe ich die Tür zufallen lasse und die Treppen zum Eingang erklimme. Es stehen keine Polizeiautos vor unserem Haus, das ist ein gutes Zeichen.

ENDE